Mangelware – barrierearme Mietwohnungen. Dieses Wohnhaus mit Aufzug wurde vom renommierten Stuttgarter Architekturbüro LRO Architekten entworfen. Foto: Roland Halbe/Roland Halbe

Immobilien sind teuer und manche existieren kaum – barrierearme Wohnungen mit Aufzug in Stuttgart und im Land. Was Immobilienentwickler, Baugenossenschaften und städtischer Wohnungsbau dagegen unternehmen und wo es Förderungen gibt.

Wer ein Haus bauen will oder eine Wohnung kauft, malt sich das Projekt in schönen Farben aus. Unten wird großzügig gewohnt, oben sind die Rückzugsräume, so ist häufig die Planung – Treppensteigen hält ja gesund. Platz für einen Aufzug vorhalten, ihn sogleich einbauen oder in ein Haus einziehen, das bereits über einen Aufzug verfügt, wäre schon gut, kostet aber beim Bau und im Unterhalt.

Im Alter wiederum mag man nicht unbedingt mehr umziehen, für aufwändige Sanierungen fehlt Energie, manchmal auch das Geld. Nur rund zehn Prozent der Deutschen ab 65 Jahren wohnen komplett barrierefrei.

Wohnungsbau ist nicht auf demografischen Wandel vorbereitet

Mehr als die Hälfte (56 Prozent) ist in den eigenen vier Wänden mit Hindernissen konfrontiert. Das belegt eine YouGov-Umfrage für die BHW Bausparkasse. Nur 21 Prozent der Älteren verfügen danach über einen ebenerdigen Zugang zu ihrer Wohnung. 25 Prozent besitzen eine Dusche mit schwellenlosem Einstieg.

Deutschlandweit verfügen nur schätzungsweise 1,6 Millionen von insgesamt etwa 21 Millionen Wohnungen in Gebäuden mit drei oder mehr Wohneinheiten über einen altersgerechten Aufzug. Gleichzeitig gibt es in Deutschland bereits heute etwa 17 Millionen Menschen, die 65 Jahre oder älter sind. Bis 2035 wird der Anteil der Menschen, die über 67 Jahre alt sind, auf 46 Prozent der Gesamtbevölkerung anwachsen.

Der Aufzugsanteil in Metropolen schwankt – Stuttgart hat mit 26,6 Prozent den geringsten Anteil an Aufzügen in Wohnhäusern in Deutschlands Metropolen; München liegt mit 50,5 Prozent an der Spitze, hat eine Studie von Hundt Consult und Terragon gemeinsam mit dem Immobilienportal immoscout24 ergeben, bei der 418 deutsche Städte untersucht wurden.

Bei rollstuhlgerechten Wohnungen ist der Bedarf noch akuter – nur 2,4 Prozent der aktuell verfügbaren Wohnungen erfüllen wirklich alle wesentlichen Kriterien von barrierefreiem Wohnraum. Entweder die Türen sind nicht breit genug oder die Bäder sind zu klein. Oft gibt es zudem Stufen in den Wohnungen. Sogar nur zehn Prozent aller Wohnungen sind barrierefrei zu erreichen, hat das Statistische Bundesamt errechnet.

Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) machte jüngst auf den Missstand aufmerksam. Der Wohnungsbau sei „überhaupt nicht“ auf den demografischen Wandel vorbereitet. „Die Themen Barrierefreiheit und altersgerechter Umbau stecken noch in den Kinderschuhen“, sagte Geywitz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wir haben die Mittel für den altersgerechten Umbau jetzt verdoppelt“, sagte die SPD-Politikerin. 150 Millionen Euro jährlich seien aber noch zu wenig. In 20 Jahren werde die Gesellschaft nicht nur älter sein, sondern es würden auch viele Menschen allein leben.

Die privaten Bauherren reagieren bereits: Immobilienentwickler entdecken die zahlungskräftige, weiter in die Zukunft denkende Kunstschaft und planen Wohnhäuser mit Aufzug und großen, barrierefrei erreichbaren Balkons und Terrassen. Solch eine zukunftsorientierte barrierefreie Gestaltung dürfte sich auszahlen, „es wird perspektivisch den Wert einer Immobilie deutlich steigern – und die Nachfrage wird zunehmen“, prognostiziert der Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer (BAK) Martin Müller.

Das renommierte Stuttgarter Architekturbüro VON M wurde von einem Immobilienentwickler Brutschin Conductor für den Entwurf von vier Mehrfamilienhäusern mit 38 Zwei- bis Vierzimmer-Wohnungen in Ludwigsburg Schauinsland gebeten – die „KfW Effizienzhäuser 55“ verfügen über Aufzüge.

Die Stuttgarter LRO Architekten wiederum haben für den Bauherren und Bauunternehmer Reisch in Bad Saulgau ein imposantes Mehrfamilienhaus geplant – mit einem Aufzug und 19 barrierearmen Mietwohnungen.

Wirtschaftsfaktor Wohnung mit Aufzug

Mit dem Projekt „Ensemble Höfe“ wiederum realisiert die Wilma Immobilien-Gruppe in Salach im Landkreis Göppingen als deutschlandweit tätige Projektentwicklerin vier Mehrfamilienhäuser mit 46 Eigentumswohnungen, jede Etage ist per Aufzug erreichbar.

Doch was ist mit den Menschen, die sich den Kauf oder die Miete für feines barrierearmes Wohnen im Luxussegment nicht leisten können? Sie müssen sich um die wenigen auf dem Markt angebotenen Wohnungen mit Aufzug bewerben. Die Bundesarchitektenkammer(BAK) hat errechnet, dass in Deutschland „aktuell gerade etwas mehr als zwei Prozent des Wohnungsbestandes barrierefrei ausgestaltet“ sind, sagt BAK-Vizepräsident Martin Müller: „Dem großen und wachsenden Bedarf an barrierefreiem Wohnraum steht ein viel zu kleines Angebot gegenüber.“

Mietwohnungen mit Aufzug sind rar

Dabei ist die alternde Gesellschaft keine Fiktion, der demografische Wandel hat längst begonnen. Die inklusive Gestaltung von Wohn- und Lebensräumen ist imstande, einen bedeutenden Beitrag zur eigenständigen Lebensführung von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, aber auch von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen zu leisten.

Forderung nach Barrierefreiheit

„Nur barrierefreier Wohnungsbau verdient das Prädikat sozialer Wohnungsbau“, lautet eine Forderung der Architektenkammer. „Unser Hauptproblem: Uns fehlen mehr als zwei Millionen barrierefreie und bezahlbare Wohnungen – Tendenz steigend“, sagt auch Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.

Dusel kritisiert: „Dabei hat Deutschland vor mittlerweile 15 Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert – darin ist auch das Recht von Menschen mit Behinderungen enthalten, frei wählen und entscheiden zu können, wo sie wohnen wollen. Umgesetzt wurde dieses Recht bislang nur unzureichend, dieses Versäumnis wurde Deutschland bei der Staatenprüfung der UN im letzten Jahr attestiert und muss dringend aufgeholt werden.“

IBA’ 27 setzt auf barrierefreies Wohnen

Und wie sieht es in der Region Stuttgart aus? Die von der Internationalen Bauausstellung IBA’ 27 ins IBA-Netz aufgenommenen Neubauprojekte in der Region Stuttgart sehen häufig barrierefreie Wohnungen vor. Auch der Städtische Wohnungsbau rüstet auf und um. Zum Bestand der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) zählen 19 824 Wohnungen, darunter befinden sich 1000 barrierefreie Wohnungen sowie rund 5100 Wohnungen, die über einem Aufzug erschlossen sind.

„In den nächsten fünf Jahren sind weitere rund 1800 Wohnungen geplant, die über einen Aufzug zugänglich sind, und rund 450 zusätzliche barrierefreie Wohnungen, sagt die SWSG-Sprecherin Saskia Bodemer-Stachelski.

Bauherren wie der Caritasverband Stuttgart und die Caritas Stiftung Stuttgart haben 110 Wohnungen im Betreuten Wohnen und 60 Wohnungen im Bereich „Wohnen mit Service“ im Portfolio. Weitere 146 Wohnungen sind vom Stadtdekanat an Bewohnerinnen und Bewohner vermietet, bei denen die Caritas die Betreuungsangebote macht, es ist davon auszugehen, dass auch diese Wohnungen barrierearm sind.

Jüngst entstanden in einer Quartiersentwicklung mit Kirchenneubau in Stuttgart-Mönchfeld barrierefreie und zum Teil rollstuhltaugliche Mietwohnungen mit Blick auf den Max-Eyth-See. „Unsere neuen Projekte sind zumindest alle barrierearm mit Aufzug“, heißt es bei der Caritas.

Baugenossenschaften wie Neues Heim, die gerade in Feuerbach ein Wohnquartier plant – jedes Haus besitzt einen Aufzug, setzen auf Barrierefreiheit vom Gehweg bis zur Wohnung „Seit 2013 ist es uns ein Anliegen, dass alle unsere ,barrierefrei erschlossenen’ Wohnungen aber auch über ebenerdige Zugänge zu den Duschen und den Balkonen verfügen. Alle kommenden neuen Wohnungen sind barrierefrei erschlossen, zum Teil zusätzlich barrierefrei oder rollstuhlgerecht“, sagt eine Sprecherin der Genossenschaft.

Visualisierung der Wohn- und Geschäftshäuser in Feuerbach – entworfen vom Stuttgarter Architekturbüro Blocher Partners für Neues Heim. Foto: Rendering/Blocher Partners, Neues Heim

Im Bestand sind 53 Wohnungen mit Aufzug, geplant sind bis 2027 noch zwölf weitere. Barrierefrei vom Gehweg bis zur Wohnung sind 881 Wohnungen, das sind etwa 46,7 Prozent, bis 2029 sollen es 1081 Wohnungen sein, 51,82 Prozent des Gesamtbestandes dann.

Förderung für Umbauten

Abgesehen davon müsse man auf sanierungsfreudige Vermieter und Bauherren hoffen, die bei Neubauten und Sanierungen gleich ans Alter und an Menschen mit besonderen Bedürfnissen mitdenken. Doch rund 48 Prozent der Immobilienbesitzenden ab 65 verschieben aktuell die Entscheidung für einen Umbau.

Lediglich neun Prozent beabsichtigen, in den nächsten zwei Jahren zu modernisieren. „Damit die Umgestaltung endlich Tempo aufnehmen kann, brauchen Hausbesitzende deutlich mehr unbürokratische Anreize“, sagt Dietmar König, Sprecher des Vorstands der BHW Bausparkasse.

Die derzeitigen Förderungen werden offensichtlich nur wenig oder gar nicht genutzt. Laut Umfrage wollen gerade einmal 23 Prozent der Befragten, die eine altersgerechte Modernisierung planen, die bestehenden Fördertöpfe in Anspruch nehmen.

Unterschätzte Bau-Aufgabe

Um Umbauwillige zu ermuntern, hat die Stadt Stuttgart ein Förderprogramm für barrierefreies und altersgerechtes Wohnen aufgelegt. Eigentümergemeinschaften, Wohnungsbesitzer, Genossenschaften, sogar Mieter können sich – vor dem Projektstart – für Sanierungen und Umbauten zu barrierearmen Wohnungen, von neuen Aufzügen bis zu Bad-Umbauten und breiteren Türen, um Zuschüsse bewerben.

Staatliche Fördermittel gibt es auch von der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und KfW-Bank – sofern die Fördertöpfe nicht gerade wieder leer sind.

Förderung

KfW
Die KfW ist eine der führenden Förderbanken der Welt. Seit 1948 setzt sie sich im Auftrag des Bundes und der Länder dafür ein, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebensbedingungen weltweit zu verbessern. Hier geht es zu den Unterstützungsmöglichkeiten für alters- und barrieregerechten Umbau.

Stadt
Das Stuttgarter Förderprogramm barrierefreies und altersgerechtes Wohnen wird in der Geschäftsstelle der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung bearbeitet. Email: info.bhb@stuttgart.de, Internet: Stuttgart.de/barrierefreier-wohnraum