Mitten in Berlin ereignete sich der Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt. Foto: AFP

Kanzlerin Angela Merkel appelliert nach dem Berliner Anschlag an die Bürger, sich nicht von Angst leiten zu lassen. Aber sie gerät in die Defensive: Nicht nur die AfD macht sie für die aktuelle Bedrohungslage verantwortlich.

Berlin - Es ist 12.37 Uhr am Dienstag, als die letzten Zweifel ausgeräumt sind. Zu dem Zeitpunkt bestätigt Thomas de Maizière (CDU), dass es sich bei der Lkw-Todesfahrt vom Vorabend um einen Anschlag gehandelt hat. „Bewusst“, so der Bundesinnenminister, sei der Sattelschlepper in die Menschenmenge auf dem Berliner Breitscheidplatz gesteuert worden. Zuallererst ist damit für die Opfer und ihre Angehörigen ein Albtraum wahr geworden – die Tat erschüttert jedoch auch die deutsche Politik.

Die Innenminister von Bund und Ländern besprechen in einer Schaltkonferenz das weitere Vorgehen, das Sicherheitskabinett tagt. „Entsetzt, erschüttert und tief traurig über die grausame und unbegreifliche Tat“, äußert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die in ständigem Kontakt mit dem Sicherheitsapparat steht. Sie kondoliert den betroffenen Familien, dankt den Rettungskräften. Und sie appelliert an die Bürger, für die freie, offene Gesellschaft zu kämpfen und sich dem Terror nicht zu beugen: „Wir wollen nicht damit leben, dass uns die Angst vor dem Bösen lähmt.“

Die Sicherheitslage hat sich dramatisch geändert

Die Kanzlerin geht aber auch indirekt auf die Frage ein, die über allem schwebt, seit die Polizei einen 23-jährigen Asylbewerber aus Pakistan – eingereist vor knapp einem Jahr, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle – als Tatverdächtigen festgenommen hat. „Ich weiß, dass es für uns alle besonders schwer zu ertragen wäre, wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat“, sagt Merkel: „Dies wäre besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, und gegenüber den vielen Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und die sich um Integration in unser Land bemühen.“

Und obwohl der Verdacht, dass der festgenommene Pakistaner wirklich der Täter ist, bis zum Abend nicht bestätigt wird, der Berliner Polizeichef Klaus Kandt diesen gar als „unsicher“ bezeichnet, haben manche ihr Urteil, speziell über Merkels Flüchtlingspolitik, längst gefällt. Ein Fingerzeig, dass der Berliner Anschlag die politische Lage drastisch verändern könnte.Der CSU-Chef Horst Seehofer beispielsweise, der schon seit Monaten mit der Vorsitzenden der Schwesterpartei um Kurskorrekturen in der Flüchtlingspolitik ringt, mahnt, man sei es den Opfern, den Betroffenen und der ganzen Bevölkerung schuldig, „dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren“.