Angriff auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau. Foto: dpa/Dmitry Serebryakov

Der „Khorasan“-Verband des Islamischen Staates soll den Anschlag auf eine Veranstaltungshalle in der Region Moskau verübt haben, bei welchem über 100 Menschen starben. Der Verband hat auch Ziele in Europa im Visier.

Die Terrorgruppe „Islamischer Staat – Provinz Khorasan“ (ISPK) hat nach eigenem Bekenntnis den Anschlag von Moskau verübt. Der ISPK ist eine Unterorganisation des Islamischen Staates und nimmt besonders Länder in Zentral- und Mittelasien ins Visier. Die ISPK-Kämpfer greifen sogar die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan an. Ihr Ziel ist ein Kalifat, das Pakistan, Afghanistan, den Iran und zentralasiatische Staaten umfassen soll. Experten halten den ISPK für eine der gefährlichsten Terrorgruppen weltweit. Der ISPK hat auch westlichen Staaten den Kampf angesagt.

Khorasan ist ein alter Name für die Region, in der das neue Kalifat entstehen soll. Der ISPK wurde Ende 2014 von Mitgliedern der afghanischen und pakistanischen Taliban, des Terrornetzwerkes Al-Kaida und anderer Gruppen gegründet. Kurz darauf proklamierte der Islamische Staat in Syrien seine Ausdehnung in den zentralasiatischen Raum.

Zwischen 4000 und 6000 Kämpfer gehören dem ISPK an

Über die Strukturen des ISPK ist so wenig bekannt, dass nicht einmal klar ist, wer der Anführer der Gruppe ist. Der frühere ISKP-Chef Sanaullah Ghafari soll voriges Jahr von den Taliban getötet worden sein. Solche Rückschläge haben den ISPK bisher nicht aufhalten können. Vor dem Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan vor drei Jahren hatten US-Luftangriffe und Militärschläge der Taliban die Truppenstärke des ISPK um rund die Hälfte auf etwa 2000 Kämpfer dezimiert, wie die „New York Times“ meldete. Der Abzug der USA und der anderen Nato-Länder 2021 verschaffte dem ISPK dann neuen Bewegungsspielraum.

Heute gehören 4000 bis 6000 Kämpfer dem ISPK an, wie Kees Eggink von der auf Terrorismus-Bekämpfung spezialisierten Denkfabrik ICCT in den Niederlanden vor kurzem in einer Analyse schrieb. Etwa drei von vier ISPK-Anschlägen richten sich nach seiner Schätzung gegen die Taliban in Afghanistan. Denn selbst die islamistische Zwangsherrschaft der Taliban geht dem ISPK nicht weit genug. Vor drei Jahren töteten Selbstmordattentäter der Gruppe in der afghanischen Hauptstadt Kabul rund 170 Afghanen und 13 US-Soldaten.

Die ISPK sei seit zwei Jahren „auf Russland fixiert“

Der ISPK verübt auch Anschläge außerhalb Afghanistans. Anfang dieses Jahres sprengten sich ISKP-Kämpfer bei einer Gedenkfeier im Iran in die Luft und töteten rund hundert Menschen. Im Januar erschossen zentralasiatische ISPK-Kämpfer in einer Kirche in Istanbul einen Mann. Nach den Koranverbrennungen in den Niederlanden und Schweden habe der ISPK auch Anschläge in diesen Staaten angekündigt, schrieb ICCT-Experte Eggink.

In Russland sieht der ISPK einen seiner Hauptgegner. Die besondere Feindschaft der Terroristen mit Moskau wird mit der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979, den Kriegen der russischen Zentralregierung gegen muslimische Rebellen in Tschetschenien zu Beginn der 2000er Jahre und mit russischen Militäreinsätzen gegen den Islamischen Staat in Syrien seit 2015 begründet. Der Terrorexperte Colin Clarke vom Soufan-Zentrum in Washington sagte der Nachrichtenagentur Reuters, der ISPK sei seit zwei Jahren „auf Russland fixiert“.

Auch Europa in Gefahr

Die Gruppe bedroht nicht nur Russland, den Iran und die Taliban. General Erik Kurella, Befehlshaber der US-Truppen im Nahen Osten, sagte Anfang des Monats in einer Anhörung des Senats in Washington, der ISPK sei „willens und in der Lage“, Ziele in Europa anzugreifen. Die deutsche Bundesanwaltschaft ließ vor wenigen Tagen in Thüringen zwei Afghanen festnehmen, die im Auftrag des ISPK einen Anschlag auf das schwedische Parlament in Stockholm geplant haben sollen. Im Dezember nahm die Polizei in Wien drei mutmaßliche ISPK-Mitglieder unter dem Verdacht fest, sie hätten Anschläge auf den Stephansdom und den Kölner Dom geplant.