Das Bildungsprogramm „Schulen erleben Wirtschaft“ gewährt Lehrern Einblicke in die Berufswelt (Symbolfoto). Foto: imago//Unai Huizi

Lehrer sollen Schüler auf die Berufswelt vorbereiten – eine Welt, die viele aus der Praxis nicht kennen. Deshalb hat das Kultusministerium das Bildungsprogramm „Schulen erleben Wirtschaft“ ins Leben gerufen. Ein Lehrer erzählt von seiner Teilnahme.

Abitur, Lehramtsstudium, Referendariat: so lautet der typische Werdegang eines Lehrers in Deutschland. Folglich wissen viele Lehrer wenig über die Arbeits- und Berufswelt. Das Problem: die Vorbereitung der Schüler auf diese Welt gehört zu den zentralen Aufgaben eines Lehrers.

Das Kultusministerium hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung das Bildungsprogramm „Schulen erleben Wirtschaft“ entwickelt.

Teilnahme an Bildungsprogramm als Ergänzung zum Lehramtsstudium

Ein Lehrer, der an dem Programm teilgenommen hat, ist Thorsten Dörr. Er unterrichtet am Salzach-Gymnasium in Maulbronn die Fächer Wirtschaft, Gemeinschaftskunde, Geschichte und Deutsch.

Ein Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Karlsruhe, den Dörr von diversen Berufsorientierungsfortbildungen kannte, machte den Lehrer damals auf das Programm aufmerksam. „Ich dachte, das ist eine super Ergänzung zu meinem Lehramtsstudium und ein Mehrwert für meinen Unterricht“, so Dörr und bat deshalb bei der Schulleitung um Freistellung für die Teilnahme an der Fortbildung – mit Erfolg.

Der Lehrer verbrachte im darauffolgenden Schulhalbjahr ein Tag pro Woche beim Pumpen-Hersteller Flux-Geräte, dem größten Arbeitgeber in Maulbronn. „Mir war wichtig, ein Unternehmen zu besuchen, mit dem die Schule langfristig zusammenarbeiten kann“, erklärt Dörr seine Unternehmenswahl.

Lehrer lernen erlerntes Wissen an Schüler zu vermitteln

Das Programm hat sich seit Dörrs Teilnahme im Schuljahr 2019/20 etwas verändert. Die Fortbildung besteht nun aus drei Modulen. Das erste Modul namens „Blick ins Unternehmen“ beinhaltet zwei Hospitationstage in einem Produktionsunternehmen und dessen Ausbildungsstätten.

Das zweite Modul „Wirtschaftspraxisprogramm“ umfasst vier weitere Hospitationstage. Ziel des Moduls ist es, Lehrern Einblicke in betriebswirtschaftliche Grundlagen und Strukturen zu vermitteln.

Im dritten Modul „Lehrkräfte erleben Wirtschaft“ absolvieren Lehrer ein dreiwöchiges Praktikum. Hier liegt der Fokus darauf, die Lehrer für die unterrichtliche Weitergabe von Wissen und Erfahrungen an die Schüler zu stärken.

„Das alte Modell hatte den Vorteil, dass man sehen konnte, wie sich Projekte über einen längeren Zeitraum entwickeln“, sagt Dörr. Die wesentlichen Erfahrungen könne man aber auch beim neuen Modell sammeln.

Bildungspartnerschaft mit Flex-Geräte als Folge des Programms

Durch Dörrs Praktikum bei Flex-Geräte ist eine Bildungspartnerschaft zwischen dem Salzach-Gymnasium und dem Pumpen-Hersteller aus Maulbronn entstanden. Dazu gehören Betriebsbesichtigungen im Wirtschaftsunterricht, sowie Praktikumsplätze und Ferienjobangebote für die Schüler.

Hin und wieder lädt Dörr zudem Mitarbeiter von Flex-Geräte in den Unterricht ein, um Vorträge über abiturrelevante Themen zu halten. So hat er beispielsweise beim Thema Internationalisierungsstrategien den Area-Sales-Manager des Maulbronner Unternehmens eingeladen. Dieser hat dann die von den Schülern erarbeiteten Strategien beurteilt, und ihnen erklärt, was realistisch ist und was nicht.

Bessere Berufs- und Studienorientierung dank Bildungsprogramm

Dörrs Erfahrungen kommen ihm vor allem beim Fach Wirtschafts-, Berufs- und Studienorientierung zugute. „Es macht einen Unterschied, ob man Schülern von etwas erzählt, das man gelesen hat oder von etwas, das man selbst erlebt hat“, erklärt Dörr. Noch heute benutzt er oft Materialien von seinem Praktikum im Unterricht.

Der Lehrer kann die Teilnahme an dem Bildungsprogramm nur weiterempfehlen: „Es ist eine tolle Chance, nochmal den eigenen Blick zu weiten und neue Erfahrungen zu sammeln.“

Dörr für Integration des Bildungsprogramms in Lehramtsausbildung

Dörr hält es für sinnvoll, Teile des Bildungsprogrammes in die Lehramtsausbildung zu integrieren – jedoch nicht in das Studium, sondern in das Referendariat.

Er sei zwar der Meinung, je früher man Praxiserfahrungen sammle, desto besser. Doch darunter dürfe nicht die Fachlichkeit leiden. „In Unternehmen arbeiten oft Spezialisten, wir Lehrer sind Generalisten“, erklärt Dörr und betont: „Eine Vertiefung darf nie auf Kosten der Generalisierung gehen.“

Zumal es während des Studiums laut Dörr genügend andere Möglichkeiten gibt, um Einblicke in die Berufswelt zu bekommen, etwa in dem man nebenbei arbeitet oder in den Semesterferien Praktika macht.