Im Bündnis Sahra Wagenknecht ist der Name Programm. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Bei der Linken dachte man, mit Sachpolitik könne man punkten. Doch im Europawahlkampf zeigt sich: Gegen die Strategie des BSW kommt die Partei kaum an.

So kann man sich täuschen: Eigentlich hätte die Abspaltung des Wagenknecht-Flügels von der Linken im Spätherbst 2023 die Wende bringen sollen. Ohne das permanente Störfeuer der Dissidenten, so die Hoffnung, werde die Linke endlich einig auftreten, fleißig Sachpolitik machen und endlich wieder punkten. Und tatsächlich macht die Linke sehr fleißig Sachpolitik, tritt einig wie seit sehr langer Zeit nicht mehr auf – und verliert dennoch weiter an Boden.

Für die Parteiführung im Liebknecht-Haus ist das zum Verrücktwerden. Anfang Juni stehen Europawahlen vor der Tür. Sie sollten wenigstens eine solide Basis für die wichtigen ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst liefern. Dieser Plan droht krachend zu scheitern. Ob Europa oder Bundesebene: Die Linken dümpeln bei drei Prozent.

Ein Stakkato von Initiativen

Dabei kann man der Partei nicht vorwerfen, seit dem Abschied vom Wagenknecht-Flügel gravierende Fehler gemacht zu haben. Tatsächlich hat die Parteiführung ein Stakkato von Initiativen vorgelegt. Aktuell etwa einen Siebenpunkteplan für eine gemeinnützige europäische Bahngesellschaft. Nur wenig älter ist ein Konzept zur 4-Tage-Woche, mit dem die Linke den Anschluss an entsprechende Positionen in den Gewerkschaften sucht. Im Bundestag brachte die Linke ihre Positionen zur Debatte um die Schuldenbremse ein. In einem offenen und öffentlichkeitswirksamen Brief hat sich viel linke Parteiprominenz an den Bundeskanzler gewandt, um den Erhalt der Solarindustrie in Deutschland zu garantieren.

Nimmt man die parteilose Aktivistin Carola Rackete hinzu, die linke Spitzenkandidatin für die Europawahlen, die sehr bemüht ist, linke Positionen in der Landwirtschaftspolitik zu erklären, kommt ein Themenspektrum zusammen, das für eine kleine Partei durchaus respektabel ist.

Das Problem: Die Linke dringt nicht mehr durch. Alleine ist das für die Partei immer schwer gewesen. Aber wenn die gesellschaftlichen Umstände günstig waren, gelangen doch gelegentlich Achtungserfolge. So hatte es die Partei in den vergangenen Jahren mit geschickten Kampagnen geschafft, beim Klinikpersonal und der Pflegebranche, auch bei Paketzustellern oder anderen prekär beschäftigten Gruppen Rückhalt zu gewinnen. Derzeit aber verfängt nichts mehr, obwohl es eine relevante gesellschaftliche Debatte über Verteilungsfragen gibt, etwa beim Bürgergeld oder dem von der FDP ins Spiel gebrachten Moratorium für Sozialleistungen. Die Bühne wäre also bereitet. Aber die Linke spielt nicht mehr darauf.

Sahra Wagenknecht – nicht nur Name, sondern Programm

Dabei hat die Linke diese Strategie auch eingeschlagen, weil sie im Wettkampf um die Prominenz der Personen nicht gegen das „Bündnis“ konkurrieren kann. Sahra Wagenknecht – das ist nicht nur der Name der Partei, sondern letztlich auch ihr Programm: Große Themen werden zwar angesprochen, aber ins Detail geht das Bündnis dabei nicht – schon allein deshalb, weil man Wähler aus keinem Milieu abschrecken will. Auch nicht aus dem rechtspopulistischen und veränderungsunwilligen Lager.

Es ist daher kein Zufall, dass Wagenknecht gerade den EU-Ausstieg aus der Verbrennertechnologie als großes Thema entdeckt. Sie nennt den Ausstieg „einen schweren wirtschaftspolitischen Fehler“. Ansonsten hat das Bündnis mit festem Blick auf ostdeutsche Wählerschaft vor allem den Ukraine-Konflikt und ein Ende der Waffenlieferungen im Blick. Ein solches Waffenembargo fordert Wagenknecht auch für Israel.

Das bewusste Werben um ein Milieu, das der AfD durchaus nicht fernsteht, ist ein weiterer Teil der Strategie. Eine sogenannte „Brandmauer“ gibt es aber auch gegenüber der Partei AfD selbst nicht. Wagenknecht hatte schon im Februar für Thüringen erklärt, sie hätte nichts dagegen, wenn ein Antrag des BSW gemeinsam mit Stimmen aus der AfD angenommen würde. Ihr Fallbeispiel war eine Abstimmung über die Bezahlkarte für Asylbewerber. Wichtig sei nur, ob eine Forderung richtig oder falsch sei.

Die inhaltliche Unbestimmtheit der BSW zahlt sich aus. Nacheinander haben Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Linken-Chef Martin Schirdewan, aber auch Thüringens CDU-Chef Mario Vogt die Zusammenarbeit mit dem BSW ausdrücklich offen gelassen. Das zeigt, dass Wagenknechts Formation in kurzer Zeit zu einem Machtfaktor geworden ist. In Thüringen liegt sie jedenfalls schon bei Umfragen zur Landtagswahl bei 13 Prozent. Im Bund könnten sie sich Hoffnungen auf den Einzug in den Bundestag machen. Auch bei der Europawahl wäre ein Ergebnis von mehr als fünf Prozent gut möglich. Die Linke ist davon ein gutes Stück entfernt.