Tritt mit Portugal für einen EM-Titel an – und wohl wieder vergebens: Cristiano Ronaldo Foto: dpa

Er hat alles: Reichtum, Millionen Fans weltweit, ein übersteigertes Ego und Titel – allerdings „nur“ mit Real Madrid. Mit Portugal dagegen hat das frühe Scheitern Methode. Dort ist Cristiano Ronaldo ein Weltstar inmitten von Mittelmaß.

St. Etienne - Wer es gar nicht mehr erwarten kann, der muss nicht bis zum heutigen Dienstagabend (21) warten, bis Cristiano Ronaldo mit Portugal gegen Island erstmals bei der EM gegen den Ball tritt. Seit Tagen ist er schon beliebig im Internet abrufbar – denken zumindest jene irregeleiteten Zeitgenossen, die dem plumpen Trick eines portugiesischen Hasardeurs auf den Leim gehen, der einen Western-Porno gedreht hat, für dessen bessere Vermarktung er den Namen des Superstars im Filmtitel („Die Ronaldas“) missbraucht. Seriös ist dagegen der jüngste Werbefilm des Sportartikelherstellers Nike („The Switch“), der vom Rollentausch eines 16 Jahre alten Nachwuchsfußballers mit Ronaldo erzählt und in weniger als einem Tag fast eine Million Klicks eingebracht hat. Die Marke Ronaldo zieht mehr denn je – was der Star von Real Madrid selbst ausnutzt, um seinen nicht geringen Wohlstand weiter zu mehren. Rechtzeitig zum EM-Start hat er das Handyspiel „Ronaldo: Kick’n’Run“ herausgebracht. In den Gassen von Paris muss man da grätschenden Rivalen ausweichen und Tore schießen – das, was Ronaldo selbst auf dem Rasen seit Jahren in Perfektion vorführt.

Bestverdienender Sportler

Es läuft also wie geschmiert. Finanziell sowieso: Auch ohne die Zusatzeinnahmen durch die EM hat ihn das Wirtschaftsmagazain „Forbes“ jüngst als bestverdienenden Sportler der Welt ausgemacht. Demnach kassierte Ronaldo im vergangenen Jahr stolze 77,2 Millionen Euro und liegt damit vor Argentiniens Fußballer Lionel Messi (71,4/FC Barcelona) und US-Basketballer LeBron James (67,7). Gut möglich also, dass zu den 20 Luxuskarossen im Fuhrpark des Superstars demnächst noch das eine oder andere edle Gefährt hinzukommt. Nebenbei investiert er in Immobilien. Vier CR7-Nobelherbergen sollen 2017 gebaut werden, der Prototyp in seiner Geburtsstadt Funchal auf Madeira. „Ich will, dass mein Name Strahlkraft hat. Wir werden uns abheben von den Mitbewerbern – wegen meiner ganzen Art und meines Namens“, sagt der Torjäger gewohnt selbstbewusst.

Sportlich kann Ronaldo ebenfalls nicht klagen: Gerade hat er mit Real Madrid zum dritten Mal die Champions League gewonnen, ebenso häufig war er schon Weltfußballer des Jahres, und wenn er diesen Titel seit 2008 nicht gewonnen hat, dann war er jeweils Zweiter.

Ronaldo kann nicht verlieren

Wunschlos glücklich ist er deshalb freilich nicht. Denn jetzt steht wieder eine EM an, und da ist Ronaldo ein gebranntes Kind. Dreimal (schon wieder!) hat er teilgenommen, dreimal endete es in einer Enttäuschung. Bei der Heim-EM 2004 platzte der Titeltraum im Finale, 2008 im Viertel- und 2012 im Halbfinale. Und 2016? „Ich kann nicht verlieren“, hat Ronaldo dieser Tage eingeräumt, „ich ärgere mich dann, ich schreie, ich sage Dummheiten und bereue diese anschließend.“ In rund drei Wochen ist es vermutlich wieder mal so weit.

Ronaldo ist der ewig Unvollendete, zumindest im Nationaltrikot. Denn dort ist er, anders als bei Real Madrid, ein Weltstar inmitten von Mittelmaß. „Ich bin der beste Spieler der letzten 20 Jahre“, tönt er, „für viele ist es Lionel Messi, aber in meinem Kopf bin ich es. Und die Ergebnisse beweisen es.“ Nur nicht die Ergebnisse in der Nationalmannschaft, deren Rekord-Torschütze er mit 56 Treffern ist.

Rekord-Europameister wird er, wie gesagt, nicht mehr, aber zwei andere Bestmarken treiben ihn bis zum nächsten bitteren Aus an. Mit 15 EM-Spielen fehlen ihm nur noch zwei Einsätze, um die führenden Liliam Thuram (16/Frankreich) und Edwin van der Sar (16/Niederlande) zu überholen. Und mit bisher sechs Treffern kann er Michel Platini (neun) noch als Rekord-Torschütze bei EM-Endrunden einholen. Schon die drei Gruppenspiele gegen Island, Österreich und Ungarn könnten dafür reichen. Es sei denn, ein anderer stiehlt ihm die Schau: Zlatan Ibrahimovic. Er steht ebenfalls bei sechs Treffern, ist ähnlich exzentrisch, ähnlich erfolglos (mit Schweden) – und wohl ähnlich stark motiviert.

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