Jerome Valcke (li.) und der ehemalige Fußballstar Ronaldo Foto: dpa

Vielleicht waren es die Pfiffe, die Ronaldo den Schrecken in die Glieder haben fahren lassen. Mit Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke präsentierte er ein Hilfsprojekt des Weltverbandes. Doch statt des erhofften Beifalls gab es nur Buhrufe und Pfiffe.

Rio de Janeiro - Vielleicht waren es die Pfiffe vor ein paar Tagen, die Ronaldo so richtig den Schrecken in die Glieder haben fahren lassen. Zusammen mit Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke präsentierte er ein gut gemeintes Hilfsprojekt des Weltverbandes. Doch statt des erhofften Beifalls gab es für die Delegation nur Buhrufe und Pfiffe. Wie ein geprügelter Hund schlich der ehemalige Weltfußballer über den Platz.

Den Blick verschämt zu Boden gerichtet, ließ er die Schmähungen der Favela-Besucher über sich ergehen. Das ist eine neue Erfahrung für den vom Fußball verwöhnten Lebemann. Bislang hat er die Wut der Brasilianer nur in den Internetforen zu lesen bekommen, diesmal war der Ärger real und greifbar. Und Ronaldo selbst die Zielscheibe. Bei „Il fenomeno“ (Phänomen), wie sie ihn nennen, steigt die Ahnung auf, dass das erst der Anfang von sehr unangenehmen Wochen gewesen ist.

Dem Mann, dem sie bislang alles verziehen haben, packt die Angst. Übergewicht, Sex mit Transvestiten, vulgäre Verbalgrätschen – alles haben sie ihm in Brasilien mit einem verschmitzten Lächeln vergeben, erkannten doch viele den Ronaldo in sich selbst. Doch nun hat sich der Wind gedreht und mit ihm Ronaldo. Er schäme sich für die Probleme, die Brasilien mit der WM haben, sagte das Mitglied des Organisationskomitees. Bürokratie, Korruption, Verspätungen – sie seien peinlich. Das ist eine bemerkenswerte Aussage, immerhin ist Ronaldo für die Ausrichtung und die Organisation der WM in vorderster Front verantwortlich.

Damit wiederum hat Ronaldo den Zorn von Staatspräsidentin Dilma Rousseff auf sich gezogen. Wütend konterte die Politikerin: „Wir müssen uns nicht schämen. Ich bin stolz auf das was wir bisher geschafft haben.“ Ronaldos Abseilaktion sind die Vorboten der ersten Absetzbewegungen. Politik und Sport schieben sich schon den schwarzen Peter zu. „Ich habe die Verträge nicht unterschrieben“, ätzte Ronaldo jüngst über die völlig aus dem Ruder gelaufenen Baukosten und flehte seine Landsleute an, ihre Wut lieber an den Politikern auszulassen, schließlich seien sie es, die Verantwortung für alles tragen. Rette sich wer kann.

Wer Ronaldo in den letzten Monaten vor Ort erlebt hat, wundert sich über diese Kehrtwende nicht. Auf Pressekonferenzen spielte das OK-Mitglied lieber mit seinem Smartphone, zu Interviewterminen kam er (wenn überhaupt) Stunden zu spät. Seine Lebensgefährtin ist DJane, da kann die Nacht davor schon einmal kurz werden. Da stören Pflichttermine oder Aktenstudium nur. Ein Leben auf der Überholspur haben die Brasilianer ihm bisher von Herzen gegönnt, bis Ronaldo anfing, sich über die Proteste lustig zu machen.

Für eine WM brauche man keine Krankenhäuser spottete er, als die erste Protestwelle losbrach. Der anschließende Shitstorm ließ das obligatorische schelmische Grinsen aus seinem Gesicht verschwinden. Als herauskam, dass er sein Privatapartment für mehrere hunderttausend Euro an den Fifa-Generalsekretär vermietet, hatte Ronaldo endgültig verspielt.

Vielleicht hat der ehemalige Stürmer nun begriffen, was seine eigentliche Rolle sein sollte – er musste den Clown spielen und von den Problemen ablenken. Jüngst sagte er vor 600 Journalisten auf die Frage, ob er sich auf die WM in Russland 2018 freue: „Ich freue mich vor allem auf die Russinnen.“ Gejohle im Saal, alles wunderbar! Wer fragt da noch nach den Machenschaften von Wladimir Putin? So lieben ihn die Funktionäre, weil er es schafft, die Schlagzeilen auf Nebenkriegsschauplätze wie Übergewicht oder weibliche Hintern zu lenken.

Wo die WM näher rückt und immer klarer wird, dass das Land die Chance verpasst hat, sich als moderne Nation zu präsentieren, dämmert Ronaldo, dass seine Rolle nicht nur gut für lukrative Werbeverträge ist, sondern dass ihn seine Landsleute für das Chaos in Mithaftung nehmen. Das macht ihm Angst, also will er von Bord gehen. Doch so leicht werden ihn die Brasilianer nicht aus der Verantwortung entlassen. Es werden ungemütliche Wochen.