Schroffe Felsen, blaues Meer: Die malerische Kykladeninsel Santorin ist bei Touristen seit Jahrzehnten beliebt. Foto: imago/Peter Schatz

Das Wrack eines vor Santorin 2007 gesunkenen Kreuzfahrtschiffs ist ein Umweltrisiko. Eine Bürgerinitiative fordert jetzt das griechische Parlament auf, die Sea Diamond endlich zu heben.

Im April 2007 lief das Kreuzfahrtschiff Sea Diamond vor der griechischen Kykladeninsel Santorin auf ein Riff und ging unter. 17 Jahre später steigen immer noch Öl und andere giftige Stoffe aus dem Wrack an die Meeresoberfläche. Die Bewohner von Santorin fürchten seit Längerem eine „ökologische Bombe“. Eine Bürgerinitiative fordert jetzt in einem offenen Brief an den Umweltschutz-Ausschuss des griechischen Parlaments, das Schiff zu heben.

Viele der 1167 Passagiere standen an der Reling und bestaunten das Postkartenpanorama, als das Kreuzfahrtschiff Sea Diamond am Nachmittag des 5. April 2007 in die Caldera, die von steilen Felswänden umgebene Bucht von Santorin, einfuhr. Für die meisten der überwiegend US-amerikanischen und kanadischen Urlauber war es die erste Begegnung mit der spektakulären Vulkaninsel. Sie freuten sich auf den bevorstehenden Landgang.

Die Schuldfrage konnte nie restlos geklärt werden

Aber dann rumste es plötzlich. Kapitän Giannis Marinos hatte sein 22 400 Tonnen großes Schiff auf ein Riff gesteuert. Der Rumpf der Sea Diamond wurde auf einer Länge von zehn Metern von den Felsen aufgeschlitzt. In einer dreistündigen dramatischen Rettungsaktion brachte man Passagiere und Besatzungsmitglieder in Sicherheit. Nur 15 Stunden nach der Havarie sank das Schiff. Ein 45-jähriger Passagier und seine 16 Jahre alte Tochter werden seit dem Untergang vermisst.

Die Schuldfrage konnte nie restlos geklärt werden. Der Kapitän machte starke Strömungen für die Havarie verantwortlich. Er benutzte offenbar eine alte Seekarte, auf der das Riff nicht verzeichnet war. Der Kapitän wurde 2013 zunächst zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde die Strafe auf fünf Jahre reduziert und gegen eine Geldbuße ausgesetzt.

Immer noch steigt Öl aus dem Schiff an die Oberfläche

Kurz nach der Havarie versprach die griechische Regierung, das Wrack zu heben. Geschehen ist das bisher nicht. Ein runder, ölverschmierter Gummiwulst an der Meeresoberfläche markiert die Stelle, an der die Sea Diamond liegt. Immer noch steigt Öl aus dem Schiff an die Oberfläche. Auch andere Giftstoffe an Bord des Wracks, Säuren aus Batterien, Schwermetalle, Flüssigkeiten und Gase aus Klimaanlagen sind „eine toxische Zeitbombe“, sagt die griechische Meeresbiologin Anastasia Miliou.

Je weiter das Wrack verrostet, desto mehr dieser Schadstoffe werden freigesetzt, fürchten Experten. Ein Gutachten der Universität von Kreta bestätigt die Befürchtungen der Bürgerinitiative. „Jede weitere Verzögerung wird zur ökologischen Zerstörung der Bucht von Santorin (Caldera) führen“, heißt es in der Expertise.

In ihrem offenen Brief an den Parlamentsausschuss schreibt die Bürgerinitiative: „Wir leben auf einer ökologischen Zeitbombe, die eine irreparable Katastrophe für die Caldera, die Lebensqualität der Bewohner und Besucher sowie die Wirtschaft unserer Insel auslösen wird.“ Die beste Lösung sei, die Sea Diamond endlich zu bergen.

Eine Hebung des Wracks ist schwierig und riskant

Aber eine Hebung des Wracks ist schwierig und riskant. Es liegt auf einem steilen Abhang und könnte bei einem Bergungsversuch noch tiefer in die Bucht abrutschen. Außerdem sind die Kosten gewaltig. Sie werden auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt. 2014 verurteilte ein Gericht die zyprische Reederei Louis Cruises als Eignerin der Sea Diamond dazu, das Wrack heben zu lassen. Aber das Unternehmen legte Berufung dagegen ein. Weil das Verfahren immer wieder vertagt wird, gibt es bisher noch kein rechtskräftiges Urteil. Auch die Versicherung der Reederei will nicht für eine Bergung aufkommen.

2019 glaubte sich die Bürgerinitiative fast am Ziel: Der Staatsrat, Griechenlands oberstes Verwaltungsgericht, urteilte, das Ministerium für die Handelsmarine sei verpflichtet, für die Hebung des Wracks zu sorgen. Aber eine internationale Ausschreibung des Ministeriums verlief im Sande, obwohl sich zwei Bergungsfirmen um den Auftrag beworben hatten. Es scheint, als wolle die Regierung das Wrack der Sea Diamond sich selbst überlassen. Louis Cruises hat sich übrigens schon im September 2014 in Celestial Cruises umbenannt – wohl um die Erinnerung an die Havarie zu tilgen.