Hat Großes vor: Teammanager der deutschen Handball-Nationalmannschaft Oliver Roggisch. Foto: Bongarts

Er war der knallharte Abwehrchef, jetzt ist Oliver Roggisch das „Mädchen für alles“. In sein erstes Turnier als Teammanager der Handball-Nationalmannschaft geht er optimistisch. „An einem guten Tag können wir jeden schlagen“, sagt er vor dem Start an diesem Freitag (17 Uhr/Sky) gegen Polen.

- Herr Roggisch, wir freuen uns, dass sich der Oliver Bierhoff des Handballs Zeit nimmt.
Kein Problem. Den Vergleich mit Bierhoff höre ich übrigens öfters, was wohl hauptsächlich an unserem gleichen Vornamen liegt.
Vielleicht auch an Ihrer eloquenten Art und Ihrem sicheren öffentlichen Auftreten?
Danke für die Blumen. Ich kenne das exakte Aufgabenfeld von Oliver Bierhoff nicht. Aber grundsätzlich bewegt sich der Fußball natürlich in einer völlig anderen Dimension.
Das zeigt auch die Tatsache, dass Sie nur als Honorarkraft beim Deutschen Handballbund (DHB) tätig sind.
Ja. Ich bin beim Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen als Teammanager und Co-Trainer von Nicolaj Jacobsen angestellt und werde 30 Tage für die Nationalmannschaft freigestellt. Deshalb habe ich zwei Laptops und zwei E-Mail-Accounts – einen für die Löwen, einen für den DHB.
Was machen Sie konkret?
Ich stehe morgens mit Handball im Kopf auf und gehe abends mit Handball im Kopf ins Bett. Man könnte sagen: Der Roggisch ist das Mädchen für alles. Ich erledige alles Organisatorische, koordiniere die Reiseplanung, und ich äußere als Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainer und Präsidium auch zum Sportlichen meine Meinung – ohne dem Chefcoach in taktische Dinge reinzureden.
Und die jungen Spieler werden Sie sicher mit Tipps versorgen.
Ich dränge mich nicht auf. Die Jungs spielen alle in der besten Liga der Welt, sie wissen, wie sie sich vorzubereiten haben. Nur eines sage ich den Spielern immer wieder: Spielt, solange ihr könnt. Mit dem Hobby Geld verdienen zu können – etwas Besseres gibt es nicht.
Haben Sie Ihren Abschied als Spieler inzwischen verarbeitet?
Es kribbelt immer noch, wenn ich die Mannschaft trainieren und spielen sehe, aber ich komme damit klar. Im Sommer fuhren meine Gefühle dagegen Achterbahn. Wir haben mit den Rhein-Neckar Löwen wegen zwei Toren die deutsche Meisterschaft verpasst. Wir haben ein paar Bier getrunken, ich war bis zum nächsten Morgen unterwegs. Dass der Abschied so emotional werden würde, hätte ich nicht gedacht.
Die Nationalmannschaft hat mit Ihnen eine weitere Persönlichkeit verloren.
Diese Diskussion höre ich immer wieder. Und ich muss Ihnen sagen: Ich finde es gar nicht so unsympathisch, dass sich die neue Spielergeneration nicht so sehr ins Rampenlicht drängt. Letztendlich ist doch ohnehin die Leistung entscheidend. Und im Übrigen haben wir in Torwart Silvio Heinevetter und auch in Mimi Kraus mindestens zwei echte Typen drin.
Zuletzt gab es immer wieder Negativschlagzeilen rund um den Handball . . .
. . . deshalb haben wir eine riesige Verantwortung. Dessen sind wir uns bewusst. Die Nationalmannschaft ist das große Zugpferd der gesamten Sportart.
Bei der WM in Katar ist Deutschland nur dabei, weil der Weltverband dem DHB unter seltsamen Umständen eine Wildcard zuschanzte.
Darauf sind wir nicht stolz, wir hätten uns natürlich lieber auf sportliche Weise qualifiziert. Umso mehr müssen wir jetzt beweisen, dass wir es verdient haben, in Doha mit dabei zu sein.
Dabei sein ist nicht alles. Was wollen Sie bei der WM erreichen?
Wir wollen aus dem Kader das Maximale rausholen. Das Team braucht Zeit, viele Dinge müssen wachsen, aber verstecken müssen wir uns nicht.
Das heißt konkret?
Ich möchte das nicht unbedingt an einer Platzierung festmachen. Aber Deutschland ist eine Turniermannschaft. An einem guten Tag können wir jeden Gegner ärgern, jeden Gegner schlagen. Andererseits ist unsere Vorrundengruppe knallhart. Die müssen wir überstehen. Dann ist sicher vieles möglich.
Auch das Halbfinale?
Ich weiß, einige unserer Spieler haben schon davon geredet. Doch wir müssen die Euphorie bremsen. So weit sind wir noch nicht.
Weil die Konstanz fehlt?
Teams wie Frankreich, Dänemark, Spanien und Kroatien haben weitaus mehr internationale Erfahrung. Aber es stimmt schon: Unsere wechselhaften Leistungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die vergangenen Jahre. Die Konstanz kommt durch Erfahrung. Und ich glaube, wir sind auf einem sehr guten Weg.
Können Sie das belegen?
Wir haben unter der Regie des neuen Bundestrainers Dagur Sigurdsson nur eines von acht Spielen verloren. Die letzen Testspiele waren gut. Das bringt Selbstvertrauen und eine breite Brust. Das tut der Mannschaft mit Blick auf den WM-Auftakt gegen Polen richtig gut. Ein erfolgreicher Start in diesem brisanten Duell wäre ungemein wichtig.
Was zeichnet Dagur Sigurdsson aus?
Als aktueller Bundesligatrainer (Anm. d. Red.: bis Saisonende noch in Doppelfunktion bei den Füchsen Berlin tätig) kann er extrem gut einschätzen, wie sich die Spieler fühlen. Dazu hat er ein unglaublich gutes taktisches Verständnis. Er hat unser Gegenstoßverhalten neu strukturiert, und in der Abwehr sind wir flexibel – können neben der bewährten 6-0- auch eine offensivere 5-1-Formation spielen.
Und Theater spielen ließ er die Mannschaft während der Vorbereitung auch.
Ja, an neuen Ideen mangelt es ihm wahrlich nicht. In Island hat er die Spieler als Teambuilding-Maßnahme das Liebes-Drama „Romeo und Julia“ von Shakespeare aufführen lassen. Das war richtig unterhaltsam und hat großen Spaß gemacht.