Ein Mercedes IAA Concept auf der Internationalen Automesse in Frankfurt Foto: dpa

Die Digitalisierung ist das Thema der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt. Die deutschen Hersteller wollen sich von Google und Apple das Geschäft nicht verderben lassen – und zeigen was ihre Luxuskarossen alles können.

Frankfurt - Sie sind nicht wirklich präsent, doch sie bestimmen das Geschehen. Google und Apple haben einen bescheidenen Auftritt beim New Mobility Forum am Rande der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt. Auch ohne den Pomp der Premiumhersteller bestimmen sie aber, wohin die Reise in der automobilen Zukunft geht. Digitalisierung heißt das Zauberwort, das durch die Hallen der Frankfurter Messe geistert.

Die deutschen Hersteller, allen voran Daimler, wollen sich von den IT-Giganten des Silicon Valley nicht vor sich hertreiben lassen, sondern die Geschicke selbst bestimmen. „Mercedes-Benz wandelt sich vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsdienstleister“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Auch Volkswagen-Chef Martin Winterkorn verspricht: „Bis Ende des Jahrzehnts machen wir jedes unserer Autos zum rollenden Smartphone.“

Bei Mercedes bedeutet das beispielsweise für den Kunden: Über ein Programm, das nach Vorlieben wie Reisezielen oder Sportinteressen fragt, lässt sich bequem der Fahrzeugtyp finden, der am besten zum eigenen Lebensstil passt – SUV, Limousine oder Kombi. Fahrstil, Termine oder Musikgeschmack – all diese Daten soll das Auto in Zukunft sammeln, um die Reise noch bequemer zu machen. Je nach gemessenem Blutdruck oder Puls könnte eine veränderte Beleuchtung im Innenraum die Stimmung beeinflussen, und dank der Massagesitze fühlt man sich wie bei einem rollenden Physiotherapeuten.

Ein Prototyp entsteht heute in zehn Monaten

Auch in Entwicklung und Produktion hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Während Ingenieure an einem Prototypen früher gut eineinhalb Jahre bastelten, lässt sich der dank Computer in nur zehn Monaten realisieren. „Bis wir das neue Modell in unseren echten Windkanal schicken, hat es schon jede Menge Aerodynamik-Tests in der Simulation durchlaufen“, sagt Entwicklungschef Thomas Weber.

Um zu demonstrieren, wie Daimler sich die Zukunft vorstellt, haben die Stuttgarter neben dem neuen S-Klasse-Cabrio und C-Klasse-Coupé ein Showcar nach Frankfurt gebracht, das als Fingerzeig in Richtung Google und Apple gedeutet werden kann. Die flache Flunder im Aluminium-Look ähnelt der selbstfahrenden Studie F015, die Anfang des Jahres bei der Messe CES in Las Vegas für Aufsehen sorgte. Neben der vollständigen Kommunikation mit anderen Autos und der Infrastruktur geht es beim „Intelligent Aerodynamic Automobile“ vor allem um einen geringen Luftwiderstand. Ab Tempo 80 ersetzen etwa Kameras die Rückspiegel. Teile der Karosserie wie Radkappen verändern sich so, dass der cw-Wert auf rekordverdächtige 0,19 sinkt. Die unausgesprochene Frage lautet: Ob Google und Apple das wohl auch hinbekommen?

Bei so viel Zukunft vergisst man fast, dass die meisten auf der IAA präsentierten neuen Modelle doch noch stark an herkömmliche Autos erinnern. Porsche zum Beispiel hat den 911er neu aufgelegt. Und der soll aller Digitalisierung zum Trotz vor allem analogen Fahrspaß bieten. „Überragende Fahrdynamik gepaart mit Effizienz und eine sinnlich zeitlos schöne Form machen ihn zum besten 911er aller Zeiten“, sagt Porsche-Chef Matthias Müller. Optisch sind die Veränderungen wie immer behutsam ausgefallen. Die Auspuffrohre rücken enger zusammen, die Frontscheinwerfer haben feinere LED-Leuchten. Statt eines Saugmotors verrichtet jetzt bei allen Modellen ein Biturbo seinen Dienst.

Mission M: Porsche zeigt das Konzept eines Elektromodells

Auf die veränderten Gegebenheiten muss sich aber auch der Sportwagenhersteller einstellen. Mission E heißt das Konzept eines Elektromodells, das Porsche auf der IAA präsentiert. Eine sportliche Rennmaschine unterhalb des Panamera, die keine Kompromisse eingehen soll. Von null auf hundert katapultiert die 800-Volt-Batterie das Auto in weniger als 3,5 Sekunden. Trotz einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h soll die Reichweite bei mindestens 500 Kilometern liegen. „Dieser Sportwagen ist so radikal modern wie einst der 911er bei seiner Premiere im Jahr 1963“, schwärmt Müller. Ein ähnliches Konzept präsentiert Audi mit dem futuristischen E-tron Quattro, der 2018 auf den Markt kommen soll.

Wann und wo das Porsche-Modell gebaut wird, das auch als Antwort auf den erfolgreichen kalifornischen E-Autobauer Tesla gedacht ist, ließ Müller offen. Der Porsche-Chef verfällt zwar nicht gerade in grenzenlosen Optimismus, wenn es um das Thema Elektromobilität geht. Doch die drohenden strengeren EU-Schadstoffvorgaben zum Jahr 2020 machen ein Modell ohne Emissionen offenbar notwendig. Und wie immer haben sie sich in Zuffenhausen gedacht: Wenn schon, dann machen wir es richtig.

Von Mercedes steht eine Tesla-Antwort noch aus. Auf die Frage, ob und wann es ein ähnlich konsequentes E-Modell aus dem Hause Daimler geben könnte, sagte Dieter Zetsche vielsagend: „Bald.“ Noch gebe es aber zu wenig Nachfrage nach E-Autos, doch dies werde sich mit besseren Batterien und sinkenden Mehrkosten ändern.

Borgward zeigt ein Modell für den chinesischen Markt

Mit Spannung erwartet wurde auch die Premiere von Borgward. Zweifel waren da, ob dem Hersteller mit Sitz in Stuttgart tatsächlich ein Comeback gelingen würde. Auf der IAA ist der zunächst für den chinesischen Markt gedachte BX7 erstmals zu sehen. Er macht einen hochwertigen Eindruck und erinnert von hinten ein wenig an die SUVs von Audi und Porsche. Während der chinesische Automarkt insgesamt Ermüdungserscheinungen zeigt, sind SUVs im Reich der Mitte nach wie vor heiß begehrt. „Wir wollen mittelfristig 500 000 Einheiten verkaufen“, sagte Borgward-Chef Ulrich Walker bei der Premiere. Daimler-Chef Dieter Zetsche wünschte seinem ehemaligen China-Chef Walker viel Erfolg, betonte aber angesichts vieler Überschneidungen wie etwa des Firmensitzes in Stuttgart oder des gemeinsamen chinesischen Partners Foton augenzwinkernd: „Wir haben mit der Sache nichts zu tun.“

Die IAA in Frankfurt öffnet von 17. September an für Fachbesucher. Davor können sich zwei Tage lang Journalisten aus aller Welt umsehen. Publikumstage sind von 19. bis 27. September. Öffnungszeiten auf dem Messegelände, Ludwig-Erhard-Anlage 1, sind von 9 bis 19 Uhr. Tickets kosten ab 12 Euro, ermäßigt ab 7,50 Euro.