Eine elegante und disziplinierte Frau: IWF-Chefin Christine Lagarde Foto: dpa

Auch das Agieren des IWF in der griechischen Schuldenkrise ist nicht unumstritten, Kritikern erscheint es zu hart und kompromisslos. Doch die Chefin Christine Lagarde wird international hoch geschätzt.

Paris - Für ihre Reaktion auf das Referendum über Sparvorgaben in Griechenland benötigte Christine Lagarde nur anderthalb Zeilen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe die Volksabstimmung „zur Kenntnis genommen“, ließ die IWF-Chefin in einer knappen Mitteilung wissen. Begeisterung klingt anders – und einmal mehr dürfte sich Lagarde nun fragen, welche Rolle der IWF bei der dramatischen Rettung des schuldengeplagten Dauer-Problemkinds Griechenland überhaupt noch spielen soll.

Dass der Kreditgeber mit Sitz in Washington tief in das europäische Schuldendrama verstrickt ist, hat er nicht zuletzt Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verdanken. Sie hatte 2010 darauf gepocht, den IWF mit ins Boot zu holen, und bis heute gibt es aus deutscher Sicht keine Lösung der Krise ohne eine Beteiligung des Fonds. Dies sei eine „absolute Bedingung“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder im Juni und fügte hinzu: „Wer glaubt, dass man die Politik der Schutzschirme ohne den Währungsfonds machen kann, der wird sich irren.“

In Frankreich wird Lagarde, die frühere französische Wirtschafts- und Finanzministerin, bereits als Präsidentschaftskandidatin für die Wahl 2017 gehandelt. „Und wenn sie es wäre?“ Diese kecke Frage haben schon mehrere Magazine über ein Foto von ihr gestellt. Das klingt verwegen. Und doch ist es nicht ausgeschlossen. Lagarde selbst äußert sich dazu natürlich nicht, wohl aber zu ihrer Zukunft beim IWF. Wenn ihr dortiges Mandat in einem Jahr abläuft, dann ziehe sie eine weitere Amtszeit in Betracht, sagte sie. Auch wenn sie noch nicht alles erreicht hat, etwa den Einfluss der Schwellenstaaten zu stärken. Das hatte sie versprochen, als sie sich im Jahr 2011 um den IWF-Chefposten bewarb, nachdem ihr Landsmann Dominique Strauss-Kahn wegen Vergewaltigungsvorwürfen zurücktreten musste.

Lagarde hat gelernt die Zähne zusammenzubeißen und zu lächeln

Auch das Agieren des IWF in der griechischen Schuldenkrise ist nicht unumstritten, Kritikern erscheint es zu hart und kompromisslos. 2013 wurde eingeräumt, dem Programm zu optimistische Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung zugrunde gelegt zu haben. Auf den Vorwurf der „kriminellen Verantwortung“ durch den griechischen Premier Alexis Tsipras erwidert Lagarde: „Wenn diese Institution seit 70 Jahren Krisen in der ganzen Welt gelöst hat, dann deshalb, weil sie sich auf Regeln stützt“.

Inzwischen ist der eleganten 59-Jährigen anzusehen, wie sehr sie die Verhandlungen belasten. Lagarde treibt viel Sport, sie isst kein Fleisch, hält sich stets kerzengerade und noch immer an das Motto, das sie als jugendliche Meisterin im Synchron-Schwimmen verinnerlicht hat: „Was auch kommt – Zähne zusammenbeißen und lächeln.“

Erst im Jahr 2005 und nach einer steilen Karriere bei der amerikanischen Kanzlei Baker & McKenzie ging die Mutter zweier Söhne in die Politik. Bei aller Höflichkeit hat sie sich eine mitunter undiplomatische Direktheit bewahrt – wie ihr entnervter Kommentar nach erneut unfruchtbaren Gesprächen mit der griechischen Staatsführung belegt, man brauche endlich wieder einen „Dialog mit Erwachsenen“. Doch gerade mit ihrer charmant-unorthodoxen Art erwarb sich die laut Forbes-Magazin sechstmächtigste Frau der Welt Respekt. Der ehemalige US-Finanzminister Timothy Geithner bescheinigte Lagarde einen „blitzschnellen Verstand, echte Wärme“ und großes Verhandlungsgeschick. Vor sechs Jahren wählte sie die „Financial Times“  zum „Finanzminister des Jahres“.

Allerdings geht die Justiz dem Vorwurf nach, ob Lagarde 2008 unparteiisch war, als sie das – für den Steuerzahler sehr teure – Urteil eines privaten Schiedsgerichts zugunsten des Geschäftsmannes Bernard Tapie im Streit um Millionen-Entschädigungen mit der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais akzeptierte.

Lagarde weist den Vorwurf mit der Erklärung zurück, sie habe sich korrekt verhalten, beißt die Zähne zusammen – und lächelt.