Streitigkeiten in der Familie sind belastend, Smartphones ein häufiger Grund für Überschuldung Foto: dpa//imago

Sowohl die Fallzahlen bei der psychologischen Beratungsstelle als auch beim Verein Silberdistel sind drastisch angestiegen. Und auch die Schuldnerberatung wird gut nachgefragt.

Was ist los mit unserer Gesellschaft? Diese Frage kann man sich stellen, wenn man die Zahlen anschaut, die im Jugendhilfeausschuss des Landkreises präsentiert wurden. Bei der psychologischen Beratungsstelle/Caritas gab es im vergangenen Jahr insgesamt 2479 Fälle. Das seien fast 500 mehr als im Jahr zuvor, so Katja Bodinek, die Leiterin der Beratungsstelle im Landratsamt. zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es 1735 Fälle, wobei gut 400 aus dem Vorjahr übernommen worden waren.

Die Hauptgründe für Beratungen seien Belastungen durch familiäre Konflikte. Entwicklungsauffälligkeiten beziehungsweise seelische Probleme stehen an zweiter Stelle, mit deutlichem Abstand auf Platz drei liegt eine eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern. Den geringsten Anteil an Beratungen gab es wegen einer Gefährdung des Kindeswohls und unzureichender Betreuung, Förderung oder Versorgung.

Wartezeit für eine Beratung bleibt relativ kurz

Nicht viel besser sieht es beim Verein Silberdistel aus, einer Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Hier gab es im vergangenen Jahr insgesamt 360 Beratungen; verglichen mit dem Jahr 2020 ist das ein Anstieg um fast 40 Prozent. Wie hoch dabei die Dunkelziffer derer ist, die erst gar nicht zur Beratung gehen, oder ob eine verbesserte Information dazu führt, dass mehr junge Menschen eine Beratung in Anspruch nehmen, bleibt dabei unklar.

Trotz der gestiegenen Fallzahlen bleibt die Wartezeit auf einen Termin relativ kurz. Das liege an den gut funktionierenden Strukturen mit Teamassistenten und dem Einsatz der Berater, so Bodinek. Ein Drittel aller Beratungen hätten nur eine minimale Wartezeit – in den vergangenen Jahren sei der Anteil der sehr kurzen Wartezeit allerdings um 10 Prozent gesunken, etwa 40 Prozent müssten zwei bis vier Wochen warten, der Anteil derjenigen, die bis zu acht Wochen warten müssten, sei gering. Etwas anders sieht es bei der Caritas aus. Hier liegt auch die Zahl derjenigen mit einer extrem kurzen Wartezeit auf einen Termin bei etwa einem Drittel, der Anteil derjenigen, die bis zu acht Wochen warten müssen, liegt bei 40 Prozent und hat sich damit in den letzten fünf Jahren um zehn Prozent erhöht.

Streit oder Trennung der Eltern ist besonders belastend

Dass der Anteil derjenigen Kinder und Jugendlichen, die unter familiären Konflikten leiden, besonders hoch ist, ist nicht verwunderlich, wenn man sich die Zahlen anschaut. „Fast ein Viertel aller Eltern trennt sich“, sagte die Leiterin der Beratungsstelle. Davon seien etwa 200 000 Minderjährige betroffen. Da das Wohl der Kinder das Leitmotiv der psychologischen Beratungsstelle sei, setze man stark auf das Beratungsangebot mit sogenannten Elternkonsensgesprächen. Bodinek schilderte eindrücklich das Fallbeispiel einer jungen Familie, die nach Beratungsgesprächen und einer therapeutischen Intervention weder zusammenfand, obwohl es zunächst nicht gut aussah. Zudem gibt es Gruppenangebote für Familien, die von Trennung und Scheidung betroffen sind. Zum einen geht es dabei um die Eltern, die lernen sollen, bei einer Scheidung trotz aller Streitigkeiten vor allem ihre Kinder wieder in den Blick zu nehmen, und diese so zu stärken, dass auch sie die Trennung meistern. Zum anderen gibt es auch eine Gruppe nur für die Kinder.

Auf Prävention richte sich auch der Fokus beim Verein Silberdistel, sagte Karin Musse. Da der Kreiszuschuss erhöht worden sei, könne man das Team bald um Honorarkräfte erweitern, was sehr helfe. Die Nachfrage nach Präventionsangeboten sei enorm gestiegen, dennoch wolle und müsse man die fachliche Qualität erhalten. Bei der Präventionsarbeit geht man an die verschiedenen Schulen im Kreis. Dabei werde von sogenannten „Trau-dich-Teams“ das Thema sexualisierte Gewalt und Übergriffe aufgegriffen, ohne mit Angst und Schrecken zu arbeiten. Auf Grundschulniveau wird dabei mit Bauchrednerpuppen und eingängigen Merksätzen gearbeitet. Drei solcher Teams gebe es nun, sodass man drei Schulen gleichzeitig abdecken könne.

Schon früh in die Schuldenfalle

Eine andere, neue Variante ist das Tandem mit Schulsozialarbeitern, die beim Trau-dich-Team eine verpflichtende Basisschulung absolviert haben. Eine Schule habe bereits ihr Interesse an dieser Fortbildungsoption für das nächste Schuljahr bekundet, so Musse.

Ein Problem, von dem vor allem junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren betroffen sind, ist die Überschuldung. Smartphone, Online-Einkäufe, vielleicht noch ein Auto – selten war es so leicht, Schulden zu machen. Im Schnitt lägen die in der Jugendschuldnerberatung, die 2021 eingeführt wurde, bei 9000 Euro – und die Rückzahlung gestalte sich angesichts der oft niedrigen Einkommen als schwierig, sagte Alexander Hönes vom Landratsamt. Die jungen Leute seien oft erschrocken, wie aus erst geringen Beträgen durch Mahn-, Inkasso und Gerichtsgebühren stattliche Summen würden. Das A und O sei, dass sie lernten, einen Haushaltsplan für sich zu erstellen.