Das von Eon betriebene Gas- und Kohlekraftwerk „Staudinger“ im hessischen Hanau. Foto: Getty Images Europe

Strategiewechsel des Energieriesen Eon ist kein Grund zum Lamento, sondern ein Anlass zur Freude: Der Ausstieg aus der Kernenergie und der Einstieg in eine konsequent auf regenerierbare Ressourcen setzende Energieversorgung war am Ende eine von allen wichtigen politischen Kräften getragene Entscheidung.

Düsseldorf - Es ist ein ungewollt vielsagender Zusammenfall der Ereignisse: Am Tag, da der Energieversorger Eon seine Pläne zum drastischen Umbau seiner Konzernstruktur vorstellt, beginnt im peruanischen Lima der 20. UN-Klimagipfel. Der wird zunächst von der bedrückenden Feststellung auszugehen haben, dass die Weltgemeinschaft ihr Ziel nicht einhalten kann, den menschengemachten Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Darüber mag man denken, wie man will: Aber es macht klar, dass die Rahmenbedingungen für eine auf fossile Träger ausgerichtete Energieproduktion immer schwieriger werden (müssen).

Auch insofern erscheint die Eon-Entscheidung folgerichtig, dass der Konzern sich endgültig vom Geschäft mit Atom- und Kohlekraftwerken verabschiedet. Dahinter steckt zwar nicht nur Weitblick, sondern auch die Konsequenz aus einigen falschen Investitionsentscheidungen. Aber eindeutig ist der nun vollzogene Schnitt die Reaktion auf Überkapazitäten des Marktes und geänderte politische Rahmenbedingungen. Wir Deutsche haben ein selten ausgeprägtes Talent, den Befürchtungen Raum vor der positiven Prognose einzuräumen. Befürchtungen gibt es auch hier. Aber grundsätzlich ist der Strategiewechsel des Energieriesen kein Grund zum Lamento, sondern ein Anlass zur Freude: Der Ausstieg aus der Kernenergie und der Einstieg in eine konsequent auf regenerierbare Ressourcen setzende Energieversorgung war am Ende eine von allen wichtigen politischen Kräften getragene Entscheidung. Und selten gab es – wenigstens zum Zeitpunkt des Beschlusses – für eine so einschneidende politische Weichenstellung einen so breiten gesamtgesellschaftlichen Konsens. Nun also vollzieht die Industrie diese Entscheidung nach und passt sich den veränderten Rahmenbedingungen an. So muss es sein – nicht umgekehrt.

Und die Befürchtungen? Ja, die gibt es. 20 000 Beschäftigte soll der abgetrennte Konzernteil haben, der sich weiter mit Kohle- und Atomstrom beschäftigt und 2016 an die Börse gebracht werden soll. Aus der SPD gibt es jetzt schon die Forderung nach Erhalt aller Arbeitsplätze. Aber wer soll die Aktien an einem sterbenden Markt kaufen? Dass hier Jobs mittelfristig wegfallen, ist klar. Ein weiteres Problem ist nicht von der Hand zu weisen: Der künftige Dino-Zweig des Konzerns übernimmt die 14 Milliarden Euro Rückstellungen für den Rückbau und die Entsorgung der alten Atommeiler. Aber die Summe könnte knapp bemessen sein. Und aus dem laufenden Geschäft des Altenergie-Zweigs werden sich kaum weitere Rücklagen bilden lassen. Dafür muss der zukunftsträchtige Öko-Zweig mit zuständig bleiben. Schließlich hat der Gesamtkonzern mit der subventionierten Kernenergie auch Gewinne gemacht, die den verheißungsvollen Umstieg nun ermöglichen. Auf den Steuerzahler jedenfalls dürfen die Betreiber die Rückbaukosten nicht abwälzen, auch wenn einige das als strategisches Ziel ins Auge fassen mögen. Und der Strompreis? Ist kurzfristig nicht tangiert. Ohnehin drücken Überkapazitäten derzeit den Preis. Die werden irgendwann abgebaut sein, vor allem dann, wenn Eons Schritt Schule machen wird, wovon man ausgehen kann. Dann wird sich die Preiskurve womöglich umkehren.

Aber all diese Befürchtungen können kein Gegenargument sein. Das große – damals einvernehmlich getragene – Versprechen der Energiewende hieß weder Preisstabilität noch Jobgarantie. Es ging um eine saubere, verantwortbare und zukunftsträchtige Energiegewinnung. Das wird derzeit gerne übersehen, wenn das alltägliche Klein-Klein um Trassenführung und Marktanteile in den Vordergrund rückt.

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