Zweimal spielt der britische Popsuperstar Harry Styles im Frankfurter Stadion. Beim ersten Auftritt am Mittwoch begeistert er als großartiger Sänger und charmanter Entertainer.
Das Publikum im Stadion hat sich in ein pinkfarbenes Meer aus Cowboyhüten, Glitzerwesen und Puschelstolas verwandelt, während der Mann auf der Bühne davon singt, dass ihn die Schwerkraft zurückhält und dass jetzt nichts mehr so ist, wie es einmal war. Zumindest glaubt man, dass er das singt. Denn als Harry Styles am Mittwochabend als Zugabe seinen Überhit „As It Was“ spielt, wird er bei jeder Zeile ohrenbetäubend vom Publikum übertönt. Im Finale der knapp zweistündigen Show im Deutsche-Bank-Park in Frankfurt feiern die Fans nicht nur den 29-jährigen Briten, sondern auch sich selbst, werden zum Teil eines tollen Popspektakels.
Harry Styles ist so etwas wie das neue, verbesserte Nachfolgemodell von Robbie Williams. Wie dieser hat er seine Karriere in einer Boygroup begonnen, und den Song „What Makes You Beautiful“, der der größte Hit von One Direction war, spielt er an diesem Abend auch in einer recht überdrehten Fassung. Wie Williams wurde er erst als Musiker nicht ernst genommen, ist dann aber als Solokünstler erfolgreicher geworden als die Boygroup und hat sich mittlerweile in einen großartigen Pop-Entertainer verwandelt, auf den sich alle einigen können.
Der verlässliche, verletzliche, aufmerksame Popstar
Anders als Williams hat es Styles aber auch geschafft, in den USA zum Superstar zu werden. Und außerdem gibt er sich nicht so selbstgefällig, wie sich Robbie Williams auf dem Zenit seiner Karriere selbst inszenierte, sondern spielt lieber den verlässlichen, aufmerksamen und irgendwie auch verletzlichen Popstar.
Artig bedankt er sich beim Publikum dafür, dass es beschlossen hat, den Abend mit ihm und seiner Band zu verbringen. „Unser Job ist es, euch zu unterhalten, und wir werden unser Bestes tun, diesen Job richtig zu machen“, sagt er, als er „Keep Driving“ ankündigt. „Und eurer Job ist, Spaß zu haben.“ Später wird er die Schilder vorlesen, die Fans mitgebracht haben. Das hat sich als Ritual bei der „Love On Tour“-Konzerttournee inzwischen etabliert.
Furios aufspielende Begleitband
Er pickt sich etwa das Schild von Esther heraus, die darauf geschrieben hat, dass er sie bitte öffentlich als bi outen soll. Oder von einem sehr jungen Mädchen, auf deren Schild steht, dass dies ihr allererstes Konzert sei. Für sie (und alle anderen) verrät er, wie der Abend ablaufen wird: „Wie werden noch ein paar Lieder spielen, dann werden wir von der Bühne gehen und so tun, als ob das Konzert vorbei sei. Doch wir werden noch mal zurückkommen, ein paar Lieder spielen – und erst dann könnt ihr nach Hause gehen.“
Und genauso kommt es dann auch. Nachdem das famose britische Indierock-Duo Wet Leg mit Songs wie „Chaise Longue“ und „Wet Dream“ den Abend eröffnet hat, arbeitet sich Styles mit einer furios aufspielenden Begleitband enorm unterhaltsam an seinem Repertoire ab, an den Songs, die er auf bisher drei Soloalben veröffentlicht hat.
Zunächst spielt er sich mit „Daydreaming“ warm, während kunterbunte Trickfilmanimationen über die gigantischen Videoleinwände flimmern, die wie viele der Harmonien und Melodien der Harry-Styles-Songs aus den 1960er Jahren stammen könnten. Mit „Golden“, bei dem er sich eine halbakustische Gitarre umhängt, ist die erste Stadionhymne dran. Das Publikum übt schon mal fürs Finale das lautstarke Mitsingen des Refrains. Bei „Adore You“ spaziert er erstmals vergnügt über das große Rechteck, das weit in den Publikumsraum reicht.
Große musikalische Bandbreite
Es ist erstaunlich, welche große musikalische Bandbreite Harry Styles live beweist. Der Song „Medicine“ zum Beispiel, der aus dem Jahr 2018 stammt, aber nie veröffentlicht wurde, verwandelt sich im Zugabenteil in einen furiosen Mix aus Punk und Glamrock. Dem Song „Satellite“ gibt die Drummerin Sarah Jones, die der heimliche Star des Abends ist und wie alle Mitglieder von Styles’ Band ein rosa Kostüm trägt, einen ulkig twistenden Beat mit. „Late Night Talking“ ist dagegen eine ausgelassene Partyhymne. „Matilda“ erweist sich als wunderschön-intimer Folkpopsong, der mit einem Cello verziert ist. „She“ dreht sich als betörender Walzer im Kreis, „Fine Line“ beginnt als Indiefolk-Ballade, steigert sich aber zu einem atemlosen Finale.
Und mittendrin stets Harry Styles, dieser grandiose Popstar, der an diesem Abend alles richtig macht und der auch in Zukunft nicht zu übersehen und zu überhören sein wird – zumindest dann, wenn er nicht gerade von seinen kreischenden Fans übertönt wird.
Harry Styles in Frankfurt
Setlist
Diese Songs hat Harry Styles am Mittwoch beim Auftritt in der Deutsche-Bank-Arena gespielt: Daydreaming / Golden / Adore You / Keep Driving / Daylight / She / Matilda / Satellite / Late Night Talking / Cinema / Music for a Sushi Restaurant / Treat People with Kindness / What Makes You Beautiful / Grapejuice / Watermelon Sugar / Fine Line / Zugaben Sign of the Times / Medicine / As It Was / Kiwi