Misteln im Stadtgarten Foto: Marius Venturini

Besonders auf den Pappeln fühlen sich die Halbschmarotzer wohl

Kornwestheim - Wenn Gärtner sie auf ihren Bäumen erkennen, ist es gut möglich, dass sie die erste Silbe des Wortes besonders stark betonen: Mist-eln. Nein, besonders beliebt sind sie nicht, die Halbschmarotzer, auch wenn sie hübsch anzuschauen sind. Wie Vogelnester sehen sie aus. Aber sie können den Bäumen arg schaden. Die Pappeln auf dem Golfplatz sind besonders stark von „Viscum album“ befallen. „Das ist eine immense Menge, die sich dort gebildet hat“, sagt Stadtgärtner Jörg Raff. Für die Pflege des Geländes sind die amerikanischen Streitkräfte als Grundstückseigentümer zuständig, weshalb die Mistel-Population auf dem Golfplatz Raff kalt lassen kann. Aber auch im Stadtgebiet, zum Beispiel im Stadtgarten, finden sich vereinzelt Bäume mit vielen Misteln. Im Rahmen der Baumpflege werden die Misteln immer wieder mal „gepflückt“. Aber diesem Problem Herr zu werden, das sei nahezu unmöglich, sagt Raff. Da bräuchte man ja Heerscharen von Baumpflegern.

Der vor einigen Jahren verstorbene Franz Zauner, früher Vorsitzender des Nabu-Ortsverbandes Kornwestheim, hat sich vor 20 Jahren zusammen mit anderen Mitgliedern die Mühe gemacht und die Misteln gezählt. Sein Ergebnis für die Markung Kornwestheim und das angrenzende Gebiet Ludwigsburg: 228 befallene Bäume mit über 3400 Misteln. Besonders wohl fühlt sich die Misteln auf Pappeln. Und da der Pappelbewuchs zugenommen hat, ist davon auszugehen, dass es eher noch mehr Misteln geworden sind. Verbreitet werden die nur wenig beliebten Pflanzen durch die Vögel. Sie fressen die Mistelbeeren. Durch den Kot oder am Schnabel klebenden Samen verhelfen sie dem Halbschmarotzer zur Vermehrung.

Und bis das Problem sichtbar wird, weiß Jörg Raff zu berichten, kann geraume Zeit vergehen. „Sie entwickeln sich sehr langsam.“ Zunächst seien nur zwei unscheinbare Keimblättchen zu erkennen. Aber wenn sich die Mistel wohlfühlt, dann kann sie einen Durchmesser von bis zu einem Meter erreichen und auch schon einmal 30 Jahre alt werden. Das Problem für die Bäume: Sie müssen sich Wasser und Nährstoffe mit den ungeliebten Mitbewohnern, die mit Saugwurzeln ausgestattet sind, teilen. Angesichts der Klimaveränderungen und des Trockenstresses, denen die Bäume ausgesetzt sind, kann es zu Problemen wie vermehrtem Astbruch kommen.

Die bei den Misteln so beliebten Pappeln zu pflanzen, das war über viele Jahren bei den Gärtnern beliebt. Der Grund: Sie wachsen besonders schnell. Wenn heutzutage noch Pappeln gepflanzt werden, dann, so empfiehlt Stadtgärtner Raff, heißt es von Beginn an einen genauen Blick darauf zu haben, ob sich kleine Keimblättchen der Misteln bilden, um sie dann gleich zu entfernen.

Haben Misteln denn auch gute Seiten? Aber sicherlich. Die Vogelwelt dürfte angesichts der Beeren und des reich gedeckten Tisches nur wenig Schlechtes über Viscum album sagen. Und die Pflanzen bieten auch Schutz vor all der Unbill, die den Tieren so droht. Für Druide Miraculix aus den Asterix-Comics ist die Mistel unverzichtbarer Bestandteil seines Zaubertranks. Und die Menschheit hat ja auch Gefallen an den Pflanzen. Ihr werden mystische Kräfte nachgesagt. Und es ist der Glaube verbreitet, dass Paare, die sich unter einer Mistel küssen, ein Leben lang zusammenbleiben. Stadtgärtner Jörg Raff, der das für eine hübsche Mär hält, hat’s gleichwohl ausprobiert: Bisher hat’s funktioniert, freut er sich.