Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem US-Kollegen Lloyd Austin Foto: dpa/Virginia Mayo

Dokumentiert sind die Gräueltaten der Terroristen von Hamas bei dem Überfall. Das Bündnis versicherte Israel seine Solidarität und rüstet sich für die Zukunft.

Szenen von dieser menschenverachtenden Brutalität hat wohl keiner der Verteidigungsminister je gesehen. Niemand wollte danach das Gesehene beschreiben. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant hatte am Donnerstag seinen Kollegen der Nato-Staaten ein unzensiertes Video einiger brutaler Taten der Hamas gezeigt. Er war dem Treffen der Allianz am Donnerstag zugeschaltet. Wie das israelische Verteidigungsministerium im Anschluss mitteilte, dokumentierte es Gräueltaten gegen israelische Zivilisten und Soldaten sowie gegen ausländische Staatsangehörige, die entweder entführt oder getötet wurden. Galant sagte nach Angaben seines Ministeriums in der Sitzung: „Es wird ein langer und schwieriger Krieg.“ Aber Israel werde siegen und die Hamas zerstören, die eine grausame vom Iran finanzierte Organisation sei.

Die Nato-Verteidigungsminister versicherten Israel bei ihrem Treffen die volle Solidarität des Bündnisses, mahnte allerdings die israelische Armee bei ihrem Kampf gegen die Hamas-Terroristen zur „Verhältnismäßigkeit“. „Israel steht nicht alleine da“, erklärte Stoltenberg in Brüssel. Israel habe „das Recht, sich selbst unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gegen diese ungerechtfertigten Terrorakte zu verteidigen“, teilten die Nato-Staaten mit. Sie riefen die Hamas dazu auf, „alle Geiseln unverzüglich freizulassen“ und forderten „den größtmöglichen Schutz für Zivilisten“.

Israels Dilemma

Teilnehmer des Treffens erklärten, dass die Nato-Verteidigungsminister das Dilemma Israels deutlich erkennen. Die Armee habe keinen Kriegspartner im herkömmlichen Sinne, sie kämpfe gegen Terroristen, die ohne Regeln und mit menschenverachtender Brutalität vorgingen. Betont wurde am Rande der Nato-Tagung zudem immer wieder, dass sich Israel in einem existenziellen Überlebenskampf befinde.

Äußerst besorgt äußerte sich auch Verteidigungsminister Boris Pistorius über die Situation in der Region. Er geht im Fall einer israelischen Bodenoffensive als Reaktion auf die Angriffe der Hamas-Terroristen von einer weiteren Eskalation der Lage aus. „Es ist ein klassischer Abwehrkampf“, sagte der SPD-Politiker. „Wir stehen an der Seite Israels und hoffen sehr, dass es nicht zu weiteren Eskalationen kommt.“

Pistorius bestätigte auch, dass Israel bei der Bundesregierung nach Munition für Schiffe nachgefragt habe. „Es gibt erste Anfragen“ sagte der Minister. „Darüber werden wir uns jetzt mit den Israelis austauschen“, fügte er hinzu. Ansonsten gehe es vor allem um Unterstützung Israels bei der Ausstattung im Sanitätsbereich. „Das werden wir jetzt zügig erledigen“, sagte Pistorius. Zwei Kampfdrohnen vom Typ Heron TP hatte Deutschland Israel bereits zugesagt.

Im Zentrum des Nato-Treffens stand auch die Reaktionen auf die Veränderte Sicherheitsstruktur in Europa nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Das Bündnis hat mit ihren neuen Verteidigungsplänen auf diese Entwicklung reagiert und erhöht seit Monaten konsequent sein Abschreckungspotenzial gegenüber Moskau. Aus diesem Grund hat nun Deutschland angekündigt, künftig 35 000 Soldaten ständig in sehr hoher Bereitschaft zu halten.

Mindestens 300 000 Soldaten für schnelle Einsätze

Damit würden die Pläne des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses mit konkreten Kräften hinterlegt, erklärte Verteidigungsminister Pistorius in Brüssel. Neben den Soldaten seien dem Bündnis auch die Bereitstellung von bis zu 200 Flugzeugen, Fregatten, Korvetten und anderem Material zugesagt worden. Die Truppen sollen in den kommenden zwei Jahren aufgebaut werden und dann im Bedarfsfall vom Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa (Saceur) angefordert werden können. In Friedenszeiten sollen die Truppen unter nationalem Kommando stehen.

Das deutsche Kontingent ist Teil eines überarbeiteten Streitkräftemodells der Nato. Ziel ist es, mindestens 300 000 Soldaten für schnelle Einsätze in Bereitschaft zu halten. Im Moment stehen für die Reaktion auf mögliche Krisen rund 40 000 Soldaten der Allianz bereit. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, hält die Nato allerdings auch einen Angriff auf einen Bündnisstaat für nicht mehr ausgeschlossen. Die Befürchtung äußern vor allem die kleinen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, in denen eine große Zahl von Russen lebt.