Die Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit haben sich heillos ineinander verkeilt. In diesem Streit würde ein unabhängiger Schlichter sehr viel Sinn machen, sagt Andreas Sernetz, Gründer der Verbraucherschutzplattform Fairplane.

Stuttgart - Herr Sernetz, wir erleben innerhalb von eineinhalb Jahren den 13. Pilotenstreik bei der Lufthansa. Wie kann der Konflikt noch gelöst werden?
Der neuerliche Streik zeigt sehr deutlich, dass es auf beiden Seiten praktisch keinen Bewegungsspielraum mehr gibt. Ich kann mir derzeit nur schwer vorstellen wie Lufthansa und Piloten noch auf aufeinander zugehen können, nachdem jetzt schon so viele Versuche gescheitert sind.
Bedarf es der Hilfe von außen?
Ein unabhängiger Schlichter würde in diesem Streit sehr viel Sinn machen. Nur so kann es zu einer Lösung kommen. Beide Seiten alleine vor sich hin wurschteln zu lassen wird nichts bringen.
Sie kennen die Branche sehr gut. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Lufthansa?
Die Lufthansa hat durch die Streiks, aber jetzt auch durch die Einführung der Buchungsgebühr von 16 Euro für Reisebüros und für Buchungsportale seit Monaten viele negative Schlagzeilen. Auch ein großer Konzern mit einer tollen Marke kann sich all dies auf Dauer nicht leisten. Die Lufthansa steht für zuverlässig und für faire Preise und nicht für teuer und unzuverlässig, wie es derzeit oft der Fall ist. Das ist gerade auch problematisch im Hinblick auf Geschäftsreisende, mit denen die Lufthansa den größten Teil ihres Geldes verdient. Die Marke Lufthansa hat in den letzten Monaten sehr gelitten. Dabei hat auch der Vorstand Fehler gemacht.
Wie soll die Lufthansa auf die Billiganbieter reagieren? Ist das Konzept mit Eurowings richtig?
Das Konzept ist gut, vielleicht kommt es sogar zu spät. Aber die Frage ist, wie man Eurowings im Konzern umsetzt. Es ginge bestimmt konfliktfreier.
Haben sich Beschwerden bei Fairplane über Lufthansa seit April 2014 gehäuft?
Die Beschwerden häufen sich. Zum einen von Reisebüros, die Schwierigkeiten mit Umbuchungen und Stornierungen haben, weil die entsprechenden Stellen bei Lufthansa komplett überlastet sind. Für die Reisebüros ist das teuer. Aber auch viele Passagiere kommen zu uns wegen möglicher Entschädigungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) untersagt zwar Entschädigungen, weil ein Streik ein außergewöhnlicher Umstand sei. Aber wenn innerhalb eines Jahres 14 Mal gestreikt wird, ist das nicht mehr außergewöhnlich. Deshalb gehen unsere Anwälte gegen das BGH-Urteil vor.
Haben Sie eine Übersicht, wie viele Passagiere seit April 2014 von den Streiks betroffen waren und wie viele Flüge ausgefallen sind?
Bis zum aktuellen Streik sind etwa 9300 Flüge ausgefallen, rund eine Million Passagiere waren betroffen.
Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass Passagiere ihr Buchungsverhalten ändern und Lufthansa mittlerweile meiden?
Reisebüros wenden sich auch wegen der neuen Buchungsgebühr immer mehr von Lufthansa ab. Reiseplanung vor allem bei Geschäftsreisenden darf kein Glücksspiel sein.
Wenn ja, wie lange lassen sich Streiks aus Sicht des Managements noch durchhalten?
Das ist schwierig zu sagen. Aber schauen Sie sich die Konkurrenz an. Ryanair fliegt jetzt auch innerdeutsch, auch Easyjet. Und alle großen europäischen Airlines wie Air France oder Iberia haben gut funktionierende Billig-Ableger. Der Heimatmarkt von Lufthansa wird immer stärker angegriffen.
Die Pilotenvereinigung lässt durchblicken, dass sie bis Weihnachten jede Woche streiken könnten. Halten Sie das für realistisch?
Das wäre eine Katastrophe und ein irreparabler Schaden. Passagiere, die mehrfach auf andere Airlines wechseln mussten, wird man nur schwer wieder zurück gewinnen.
Welche Rechte und Möglichkeiten haben Passagiere, wenn ihr Flug wegen des Streiks tatsächlich ausfällt? Kommt Lufthansa den Passagieren entgegen?
Passagiere haben bei Verspätungen Anrecht auf Betreuung am Flughafen, also Getränke und Essen, und bei längerer Wartezeit auch Anspruch auf ein Hotelzimmer. Das gilt auch bei Streiks. Entschädigungen bei Streiks lehnt der BGH derzeit ab, aber dieses Urteil wird sicher überprüft. Lufthansa selbst ist angesichts der vielen Streiks mit diesen Situationen vertraut, informiert frühzeitig, bucht um oder verweist auf andere Verkehrsmittel, so dass sich das Chaos in Grenzen hält. Auch die Passagiere haben gelernt. Generell können bestreikte Flüge sofort storniert werden und man bekommt das Geld zurück. Lufthansa hat mittlerweile aus 13 Streiks gelernt. Was tragisch genug ist.