Wie kam das „Alien“ in die Welt? „Prometheus“ mit Noomi Rapace gibt nun Aufschluss. Foto: dpa-Film

Mit Ridley Scotts Science-Fiction-Film „Prometheus“ startet Art Vorgeschichte zu Filmen der „Alien“-Reihe.

Mit Ridley Scotts Science-Fiction-Film „Prometheus“ startet an diesem Donnerstag eine Art Vorgeschichte zu den vier Filmen der „Alien“-Reihe. Dass diese bis heute zu den Meisterwerken des Genres zählen und sogar eine Literaturnobelpreisträgerin inspirieren, hat viele Gründe.

Die Rahmenhandlung von Ridley Scotts „Alien“ (1979) ist schnell erzählt: Die Besatzung des Frachtraumschiffs „Nostromo“ bringt von einem unwirtlichen Planeten eine außerirdische Lebensform mit, die nach kurzer Zeit die Besatzung zu dezimieren beginnt. Es überlebt nur eine Frau, der dritte Offizier Ripley. Es gab drei Fortsetzungen, der Stoff hat die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek sowie die Stuttgarter Autoren Heinrich Steinfest und Joachim Kalka zu Reflexionen und philosophischen Essays bewegt hat – denn er bietet viele Deutungsmöglichkeiten, politische, gesellschaftliche, ökonomische und psychologische.

Die Hauptfigur Ellen Ripley, gespielt von Sigourney Weaver, ist die erste weibliche Action-Heldin der Filmgeschichte, eine so starke wie empathische Frau, die auch unter Druck stets rationaler agiert als alle Männer; ihr steter Gegenpart, das vom Schweizer Künstler H. R. Giger beeindruckend alptraumhaft entworfene Alien-Monster, optisch zwischen Leguan und Gottesanbeterin, „eine Ikone äußerster Fremdheit“ (Joachim Kalka).

„Alien“ machte aber erstmals „den Horror einer solchen ‚Invasion‘ wirklich fühlbar“

Ein außerirdisches Monster, das irdische Raumfahrer bedroht, war 1979 keineswegs neu, „Alien“ machte aber erstmals „den Horror einer solchen ‚Invasion‘ wirklich fühlbar“ (Lexikon des Science-Fiction- Films). Das gelang durch Realismus. Die Crew besteht aus normalen Menschen mit einer Art „Lastwagenfahrer-Mentalität“, die sich in Alltagssprache unterhalten – nicht aus heroischen, Pathos verbreitenden Sternenkriegern. Das Interieur des Raumfrachters wirkt wie eine schmuddlige Variante der Designs in Stanley Kubricks „2001“. Und realistisch ist auch der gesellschaftliche Kontext: Die Crew ist für einen Großkonzern unterwegs.

Es ist also nicht das alptraumhafte Monster allein, die Bösartigkeit „erhält ihre eigentliche Pointe erst durch die Korruption eines kapitalistischen Apparats, der seine Angestellten opfert, um in den Besitz der Fremdheit zu gelangen“ (Kalka). Der Konzern nämlich hat die Nostromo-Besatzung zu dem Planeten geschickt, um das Wesen zu bergen – und es als potente Biowaffe zu nutzen. Das Alien ist also weniger Invasor, sondern es wird als begehrter Rohstoff gejagt.

Diesem Konzern, erfährt man in den Fortsetzungen, gehören nicht nur Frachtschiffe, sondern auch Gefängnisse, er lässt Kolonien errichten und gebietet über Militär. Von einem Staat oder einer Föderation ist in den drei ersten „Alien“-Teilen nie die Rede, es ist immer „eine Firma, die alles in der Hand hält“, die Räume, Güter und Menschen beherrschen will, „um sie auszubeuten“, wie Elfriede Jelinek in ihrem Essay „Ritterin des gefährlichen Platzes“ schreibt. Jelinek erscheint dies wie ein Zukunftsentwurf des US-Schriftstellers Thomas Pynchon, dem „Autor der paranoischen Weltverschwörung“, der für sie „die ‚Alien‘-Filme erfunden haben könnte und vielleicht auch erfunden hat“.

Auch dem so hochgerüsteten wie arroganten Militär ergeht es gegen die Aliens schlecht

Die Reihe ist also feinstes Paranoia- Kino – und passt als solche in eine lange Science-Fiction-Tradition. Während des Kalten Krieges dienten außerirdische Invasoren als Metapher für die kommunistische Bedrohung, „Das Ding aus einer anderen Welt“ von Christian Nyby und Howard Hawks (1951, Original: „The Thing“) ist ein prominentes Beispiel. Eine diffusere, nicht eindeutig antikommunistische Paranoia nährte 1956 „Die Dämonischen“ (Original: „Invasion of the Body Snatchers“) von Don Siegel, doch erst in „Alien“ wird als eine Quelle der Paranoia zweifelsfrei auch die „eigene“ Seite identifiziert: Der Terror kommt aus beiden Richtungen, und Ripley ist im Grunde noch einsamer als der CIA-Mitarbeiter Joseph Turner (Robert Redford) in Sydney Pollacks „Die drei Tage des Condor“ (1975) – ebenfalls ein Paranoia-Klassiker.

Mitten im Kalten Krieg hatte im Westen unter anderem die Watergate-Affäre das Vertrauen in die Überlegenheit des „eigenen“ Systems erschüttert, dazu kamen repressive staatliche Maßnahmen als Reaktion auf 1968 sowie den in den 1970ern allgegenwärtigen Nahost- und Links-Terrorismus – und die Angst vor letzterem. So umfassend diese reale Paranoia, so umfassend war auch die fiktive im All.

1986 kehrte Ripley in „Aliens – die Rückkehr“ unter der Regie von James Cameron („Titanic“) nach 50 Jahren im Tiefschlaf auf den nun kolonisierten Planeten des ersten Teils zurück – mit einer Elite-Einheit der Marines. Doch auch dem so hochgerüsteten wie arroganten Militär ergeht es gegen die Aliens schlecht. Auf den Psycho-Horror von Scott folgte ein Action-Thriller, der nicht von ungefähr an Kriegsfilme wie Oliver Stones fast zeitgleich startenden „Platoon“ erinnerte. Cameron betonte selbst die Analogien zu Vietnam, wo die technisch überlegene US-Militärmaschinerie einen oft unsichtbaren Feind nicht besiegen konnte. Zugleich stehen in „Aliens“ noch expliziter Konzern-Interessen der Ausschaltung der Aliens im Weg. Wohl eher die Zeitläufte als Cameron bestimmten wiederum, dass sich den Zuschauern neben dem Vietnam-Trauma noch andere Analogien anboten: Die wiedererwachte imperiale Hybris der USA bei der Grenada-Invasion 1983 etwa oder die Iran-Contra-Affäre 1986.

1997 erwacht eine aus Geweberesten geklonte Ripley in „Alien – Die Wiedergeburt“ zu neuem Leben

1992 gab David Fincher sein Regiedebüt mit „Alien 3“. Ripley strandet auf einem Gefängnisplaneten, auf dem sich die ausschließlich männlichen Häftlinge zu einer asketischen, apokalyptischen Sekte vereint haben. Herrlich beiläufig thematisiert Fincher, wie exklusive religiöse Heilvorstellungen eine Paranoia geradezu bedingen gegenüber „anderen“, die als unrein oder sündig erachtet werden. In „Alien 3“ lediglich angedeutet, lässt er auf dieser Basis drei Jahre später in „Sieben“ einen Serienkiller morden. Von religiöser Symbolik triefend ist auch Ripleys Abgang: Weil sie eine Alien-Larve in sich trägt, stürzt sie sich in Gekreuzigten-Pose in einen Schmelzofen; der Opfergang gleicht fast aufs Haar Arnold Schwarzeneggers Exitus in „Terminator II“ (1991, Regie: James Cameron).

1997 erwacht eine aus Geweberesten geklonte Ripley in „Alien – Die Wiedergeburt“ zu neuem Leben, und der französische Regisseur Jean-Pierre Jeunet („Amelie“) ließ die genetische Manipulation zum zentralen Motiv werden – 1996 war das Jahr des Klonschafs Dolly. Eigentlich interessiert die Forscher im Film nicht Ripley, sondern das in ihr heranwachsende Alien. „Unstillbaren Wissensdurst“ und „menschenverachtende Gier“ erkennt Kalka dort, „sie vibrieren von derselben Unbekümmertheit, wie sie in der Realität jenen Cloning-Phantasien eignet, die von Mad Scientists à la Richard G. Seed vorgetragen werden“. Beim wiederholten Betrachten der Alien-Filme „scheinen sich immer deutlicher manche Diskurse unserer Gegenwart in ihrem dunklen Spiegel zu grotesker Schärfe zu klären“.

Ob man das auch vom morgen startenden „Prometheus“ sagen wird, einer Art „Alien“-Vorgeschichte? Ridley Scott führt wieder Regie und hat sich nach eigenen Angaben stark von den über 40 Jahre alten Thesen des Schweizer Autors Erich von Däniken inspirieren lassen, der außerirdische Einflüsse für menschliche Zivilisationssprünge verantwortlich macht. Ein nicht sehr gegenwärtiger Diskurs. Zumindest, so lange „Curiosity“ auf dem Mars nichts Beunruhigendes findet.