Mit 27 Jahren ist die Amerikanerin Brie Larson bereits Oscar- und Golden-Globe-Gewinnerin sowie Regisseurin. Foto: AFP

Die US-Schauspielerin Brie Larson im Interview über ihre Rolle in dem Drama „Schloss aus Glas“ – und was sie mit der Filmfigur gemein hat.

Los Angeles - Noch vor ihrem neunten Geburtstag zog Brie Larson samt Mutter und Schwester nach Los Angeles, um sich den Traum von der Schauspielkarriere zu verwirklichen. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die gebürtige Kalifornierin erste Film- und Fernsehrollen bekam, etwa in der Serie „Raising Dad“ oder neben Jennifer Garner in „30 über Nacht“. Später folgten eine feste Rolle in der preisgekrönten Serie „Taras Welten“ und Auftritte in „Greenberg“, „The Spectacular Now“ oder „21 Jump Street“.

Gefragte Schauspielerin

Doch erst der Independent-Film „Short Term 12“ (in Deutschland nur auf DVD erschienen) bescherte Larson den großen Durchbruch, sorgte er doch für so viel Aufsehen, dass sie daraufhin die Rolle in der Roman-Verfilmung „Raum“ und dafür den Oscar bekam.

In diesem Jahr war die 27-jährige bereits in „Kong: Skull Island“ und „Free Fire“ zu sehen. Nun spielt sie die Hauptrolle in dem Drama „Schloss aus Glas“, parallel dazu feierte beim Festival in Toronto Larsons Regiedebüt „Unicorn Store“ Premiere.

Frau Larson, die Regie bei Ihrem neuen Film „Schloss aus Glas“ hat Ihr guter Freund Destin Daniel Craig geführt. Sie mussten vermutlich nicht lange vorsprechen?
Da irren Sie sich. Destin hat mich durchaus zum Vorsprechen einbestellt. Auch wenn es gut sein kann, dass ich seine erste Wahl war, denn kaum waren wir die ersten Szenen einmal zusammen durchgegangen hatte ich den Job. Aber Sie haben schon recht, dass wir beiden uns sehr nahe stehen und mein Interesse an „Schloss aus Glas“ zunächst einmal dadurch geweckt wurde, dass er für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnete. Gerade bei einer emotional durchaus schwierigen Rolle wie dieser ist es gut zu wissen, dass man mit jemandem zusammenarbeitet, der derart einfühlsam und mir vertraut ist.
Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?
Destin ist für mich wie Familie. Er und seine Frau sind ein fester Bestandteil meines Lebens. Die Arbeit an unserem ersten gemeinsamen Film „Short Term 12“ hat uns damals fest zusammengeschweißt. Nicht nur der aufwühlende Dreh damals, sondern auch alles, was danach kam. Wir flogen monatelang gemeinsam um die Welt, um den Film zu verkaufen. Zehn Stunden Langstreckenflug, zusammen auf den Mittelplätzen, da kommt man sich so richtig nahe. Nicht zuletzt die Erinnerung an das Filmfestival in Locarno und meine Zeit mit Destin dort in der Schweiz werde ich nie vergessen. Wir sind quasi zusammen in dieser Branche erwachsen geworden, das wird uns nie jemand nehmen können.
War die Zusammenarbeit dieses Mal, an einem deutlich größeren Projekt, vergleichbar mit der an „Short Term 12“?
Gegen Ende der Dreharbeiten unseres ersten Films hatten wir einen Punkt erreicht, wo wir uns eigentlich fast wortlos verstanden. Wann immer der die Kamera anhielt, mussten wir uns nur ansehen und ich wusste sofort, ob er alles im Kasten hatte oder ich noch einmal etwas anderes versuchen musste. Daran konnten wir dieses Mal auf Anhieb wieder anknüpfen. Destin ist wirklich einer der wunderbarsten Regisseure, mit denen ich bislang zusammenarbeiten durfte, und ich war sehr glücklich, dass er sich in dieser Hinsicht nicht verändert hat.
Kannten Sie eigentlich Jeannette Walls’ autobiografischen Bestseller „Schloss aus Glas“ schon vor dem Film?
Ich hatte von der Geschichte gehört, aber gelesen habe ich ihre Memoiren dann erst kurz bevor ich das Drehbuch bekam. Jeannettes Offenheit und Ehrlichkeit hat mich verblüfft. Je mehr ich dann im Internet über sie recherchierte und mit Videos von diversen Auftritten bei Lesungen, Gesprächsrunden und Konferenzen ansah, desto mehr reizte es mich, in ihre Haut zu schlüpfen.
Geht eine besondere Verantwortung damit einher, eine reale Person zu spielen?
Ich war tatsächlich anfangs etwas nervös, schließlich ging es da um das Leben eines anderen Menschen. Eines Menschen, der sein eigenes Leben natürlich selbst am besten kennt. Ich hatte das Gefühl, dass ich mir keinen Fehler würde erlauben dürfen. Aber dann schrieben Jeannette und ich uns ein paar Emails, und sie machte mir klar, dass es ihr zwar um Wahrhaftigkeit, aber nicht um Genauigkeit in jedem kleinsten Detail ging. Sie verstand, dass ich mich auch selbst als Schauspielerin einbringen musste. Und sie stand mir jederzeit für Nachfragen aller Art zur Verfügung. Ganz gleich wie persönlich meine Fragen auch waren.
War Jeannette Walls auch direkt in die Dreharbeiten involviert?
Nein, das nicht. Wir schrieben uns Mails und sprachen ab und zu über Skype. Aber ansonsten kam sie lediglich ein oder zweimal bei den Dreharbeiten vorbei, das war’s.
„Schloss aus Glas“ erzählt von den Erinnerungen an eine ungewöhnliche Kindheit. Mussten Sie da an Ihre eigene Familiengeschichte denken?
Natürlich, schon weil ich selbst zu Hause unterrichtet wurde, so wie es bei den Kindern im Fall zunächst auch der Fall ist. Seit damals habe ich dieses große Verlangen, Dinge aus nächster Nähe zu erleben und mit eigenen Augen zu sehen statt bloß in Büchern darüber zu lesen. Deswegen erschien mir die Kindheit von Jeannette Walls beim ersten Lesen eigentlich traumhaft. Von einem Ort zum anderen fahren und immer wieder Neues entdecken statt eine konventionelle Schulbildung zu genießen – das hörte ich nicht verkehrt an. Wenn man dann allerdings ein bisschen genauer liest, welche Folgen dass auf Jeannette und ihre Geschwister hatte, erkennt man auch die Vorteile von geordneten Strukturen, die sich unsere Gesellschaft nicht ohne Sinn ausgedacht hat.
Zwei Jahre ist es jetzt her, dass Ihr Film „Raum“ Premiere feierte, für den Sie wenig später den Oscar als beste Hauptdarstellerin gewannen. Wie hat der Preis Ihr Leben verändert?
Das kann ich gar nicht wirklich beantworten. Denn erstens ist es für eine Analyse wahrscheinlich noch zu früh und zweitens habe ich ehrlich gesagt besseres zu tun, als mir über den Oscar Gedanken zu machen. Ich arbeite schließlich ununterbrochen. Aber klar: dass das so ist, hat sicherlich auch mit dem Oscar zu tun, zumindest die Qualität der Rollen, die mir angeboten werden. Und dass ich gerade meinen ersten Film als Regisseurin drehen durfte, wäre vielleicht ohne den Preis auch nicht so problemlos möglich gewesen.
In Ihrem Regiedebüt „Unicorn Store“ spielen Sie auch die Hauptrolle. Wie fanden Sie neben all den anderen Jobs dafür überhaupt noch Zeit?
Da war schon viel geschicktes Zeitmanagement nötig. Mit den Vorbereitungen auf den Dreh fing ich quasi nebenbei an, während ich noch für „Schloss aus Glas“ vor der Kamera stand. Wobei es sehr hilfreich war, dass einige Mitarbeiter dort – etwa der Kameramann oder die Kostümbildnerin – gute Bekannt von mir waren, die ich ohnehin auch für „Unicorn Store“ engagiert hatte. Wir konnten also jede freie Minute nutzen.
Hatten Sie immer schon den Traum vom Filmemachen?
Nicht so früh wie den von der Schauspielerei. Aber es ist auch nicht so, dass ich erst mit dem Erfolg vor der Kamera auch dahinter aktiv werden wollte. Schon mit neun oder zehn Jahren fing ich an, zuhause mit der Videokamera kleine Filme zu drehen. Später machte ich es mir dann zur Aufgabe, immer in den Sommerferien einen Film auf die Beine zu stellen. Ich schrieb ein Drehbuch und verpflichtete Cousins oder Nachbarskinder, dann wurde in der Garage gedreht. Als Jugendliche bekam ich meinen ersten Apple-Computer – und mit deren Programm iMovies war die Sache im wahrsten Sinne des Wortes ein Kinderspiel. Je älter ich wurde, desto professioneller wurden diese Kurzfilme. Und desto größer der Wunsch, auch mal bei einem Kinofilm Regie zu führen.