Statt sich in dem unbestreitbaren politischen Sieg zu aalen, trat Obama im East Room des Weißen Hauses vor die Kameras und erklärte seinen Landsleuten das komplizierte Gesetz zur Gesundheitsreform. Foto: Spang

Je geringer die Erwartungen, desto größer der Sieg - Obama nutzte Gelegenheit für Cleveres.  

Je geringer die Erwartungen, desto größer der Sieg. Das ist sicher das Ergebnis der überraschenden Entscheidung, mit der das Verfassungsgericht der USA die Jahrehundert-Reform des Gesundheitswesens aufrecht erhalten hat. Präsident Obama nutzte die Gelegenheit, etwas Cleveres zu machen: Statt sich in dem unbestreitbaren politischen Sieg zu aalen, trat er im East Room des Weißen Hauses vor die Kameras und erklärte seinen Landsleuten das komplizierte Gesetz.

Die Amerikaner finden sich in einer schizophrenen Situation wieder. Generell lehnen sie “Obama-Care” mehrheitlich ab. Fragen die Meinungsforscher aber nach den einzelnen Bestimmungen, sind überwältigende Mehrheiten dafür. Etwa das alle Amerikaner ungeachtet von Vor-Erkrankungen denselben Zugang zu einer bezahlbaren Krankenversicherung haben sollen. Oder dass Studenten bis zum 26-ten Lebensjahr bei ihren Eltern versichert bleiben. Oder dass es keine Obergrenzen für Patienten-Budgets geben darf.

Obwohl Mitt Romney ziemlich schnell nach der Entscheidung vor die Kameras trat, war er genauso sprachlos wie der Rest der Republikaner.

Nicht nur die Konservativen waren fest davon ausgegangen, dass die konservative Mehrheit des “Supreme Courts” Obama-Care das Totenglöcklein läuten wird. Romney ging nicht soweit, den Vorsitzenden Richter John Roberts einen Verräter zu nennen, Aber auch ihm fiel nicht mehr ein als zu sagen, dass er als Präsident das machen werde, was das Gericht versäumt hat.

 Natürlich kann die Umsetzung hinausgezögert werden

Wer es glaubt, wird selig. Das war die letzte beste Chance der Reformgegner das Gesetzespaket zu stoppen. Jenseits eines republikanischen Erdrutsch-Siegs, der den Republikanern im Senat eine Flibuster-sichere Mehrheit von 60 Stimmen gibt, passiert in Sachen Gesundheitsreform im Kongress gar nichts. Natürlich kann die Umsetzung hinausgezögert werden. Aber verhindern lässt sich die Umsetzung jetzt nicht mehr.

Romney ist sowieso kein gut Botschafter für das Thema. Setzte er doch als erster ein “individuelles Mandat” in Massachusetts um, das die Bürger dort verpflichtet, einen Krankenversicherung zu haben. Mit großem Erfolg, wie die Statistiken zeigen. 98 Prozent aller Bürger haben inzwischen eine Krankenversicherung abgeschlossen.

Dass Romney vor dieser Errungenschaft wegläuft, ist parteipolitisch verständlich, aber falsch mit Blick auf den Herbst. Warum sollte Romney jemand nur für einen Moment glauben schenken, wenn Präsident Obama die Architekten seiner Reform darum bat, diese auf nationale Ebene zu übertragen? Ein Kandidat kann unter solchen Umständen nur komisch aussehen.

Nach Sommerpause wird Entscheidung des Supreme Courts bei den meisten Amerikanern vergessen sein

Peinlich, peinlich auch die Berichterstattung von CNN und FOX an diesem historischen Tag. Beide “Nachrichtenkanäle” vermeldeten zunächst, der Supreme Court habe “Obama-Care” niedergeschlagen. Wenige Minuten später mussten sich die Kanäle selber korrigieren. Ein Blogger machte sich einen Spass daraus, die Ereignisse in einer Fotomontage zu interpretieren. Darauf zu sehen ist US-Präsident Obama, der ein iPad in die Kamera hält mit der CNN-Schlagzeile. “Mandat niedergeschlagen”.

Wie geht es weiter?

Mit der üblichen politischen Polemik, einer symbolischen, aber folgenlosen Abstimmung im Repräsentantenhaus und einer langen Sommerpause. Danach wird die Entscheidung des Supreme Courts bei den meisten Amerikanern vergessen sein. Nicht so die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Hier kann Obama kein Verfassungsgericht zur Hilfe eilen, seinen Job im Weißen Haus zu sichern.