Foto: Beratungsdienst Tabakbau

Nicht konkurrenzfähig: Traditionsreichem Tabakanbau von Burley rund um Heidelberg droht Ende.

Plankstadt - 300 Tabakpflanzer gibt es noch in Deutschland. Viele von ihnen in Plankstadt bei Heidelberg. Doch der Tabakanbau droht zu verschwinden. Die EU zahlt keine Subventionen mehr, und die Zigarettenindustrie hilft nicht. Dabei könnte sie es ohne weiteres.

Die Hoffnung starb am 28. April. Da hatte die Zigarettenindustrie die deutschen Tabakpflanzer wissen lassen, dass sie ihnen die diesjährige Burley-Ernte nicht abnehmen würde. Zu den geforderten Preisen, das war die Botschaft, würde man nicht miteinander ins Geschäft kommen. Als Tabakbauer Rolf Hallwachs (49) aus Plankstadt bei Heidelberg die schlechte Nachricht bei der Versammlung vernommen hatte, setzte er sich in seinen alten BMW und fuhr nach Hause.

Tabakanbau ist knochenharte Arbeit

Auf dem Aussiedlerhof einige Kilometer vom Ortskern entfernt macht er sich an die Arbeit: Er nimmt alle 800 000 kleinen Tabakpflanzen aus den Styroporkästen, in denen er sie zwei Monaten hochgepäppelt hat, um sie per Hand Anfang Mai einzeln in die Scholle seiner 20 Hektar Land zu setzen. Er kehrt die jungen Pflanzen auf einem Haufen zusammen und entsorgt sie. Sein Sohn Andreas (28), der den Hof übernehmen will, erinnert sich: "Das war so etwas von deprimierend, der Stolz ist dermaßen verletzt worden." Seine Frau Martina Hallwachs (46) - "i heb scho als Mädle im Tabak gschafft" - sagt, dass ihr die Vernichtung der Pflanzen "den Magen herumgedreht" habe. Es gehe ihr um die Psychologie, "nicht ums Finanzielle". Noch nicht.

Dass das Thema Geld schon noch auf sie zukommt, wissen Hallwachs und seine Kollegen. Der Tabakanbau ist knochenharte Arbeit. Rund 1000 Stunden muss der Bauer je Hektar investieren. Viel Handarbeit ist dabei. Jedes einzelne Blatt muss bei der Ernte von Hand ausgebrochen werden, stundenlang in gebückter Haltung. Dann werden die Blätter in Schnüre eingenäht und zum Trocknen in die grünen Folienzelte gehängt. Solange die EU Subventionen zahlte, war der Tabakanbau rentabel, ja lukrativ. Je Hektar hat Hallwachs rund 4000 Euro Gewinn gemacht. Mais bringt nur 200 Euro.

In Plankstadt wuchs das Kraut für Reval und Roth Händle

Jetzt um diese Jahreszeit würden die Folienzelte rund um Plankstadt, wo der Tabakanbau 1830 urkundlich erwähnt wurde, wo das Kraut für die legendären Roth Händle und für Reval wuchs, schon voller Tabak zum Trocknen hängen. Und jetzt? Leere, es sprießt nur ein wenig Unkraut. Hallwachs: "Der Tabakanbau macht 80 Prozent von meinen Betriebseinnahmen aus."

Es ist seit Jahren klar, dass die EU ihnen ab 2010 keine Subventionen mehr zahlen würde. Der Weltmarktpreis je Kilogramm Burley liegt etwa bei 1,70 Euro, noch 2009 hat die EU 2,20 Euro Prämie gezahlt. Seit diesem Jahr ist sie gestrichen. Darüber lamentieren Bauer Hallwachs und die anderen aber auch nicht. Sie haben aber immer damit gerechnet, dass es irgendwie weiterginge. Jahrzehntelang haben die Tabakbauern hier in der Rheinschiene über einen Zwischenhändler gut mit Reemtsma zusammengearbeitet. Das Unternehmen Reemtsma hatte die Badische Tabakmanufaktur, die die Roth Händle produziert hatte, gekauft und die Produktion in andere deutsche Werke verlagert.

Von Reemtsma gab's keinen Vertrag mehr

"Wir haben uns 50 Jahre nach den Wünschen von Reemtsma ausgerichtet wie die anderen Betriebe in der Region auch", sagt Hallwachs. Doch Reemtsma ließ sich nicht bewegen, den Tabakbauern um Plankstadt noch einmal einen Vertrag zu geben. Hallwachs: "Wir brauchen 3,50 Euro je Kilogramm Tabak, um in Deutschland wirtschaftlich Burley produzieren zu können." Tabak aus Uganda, Brasilien oder Kenia ist für die Hälfte zu haben. In den Dritte-Welt- und Schwellenländern werden viel niedrigere Löhne gezahlt, ethische Anforderungen wie bei uns, etwa beim Arbeitsschutz und das Verbot der Kinderarbeit, gebe es in den Tropen so gut wie gar nicht. Da ist klar, dass ein deutscher Bauer da preislich nicht mithalten kann.

Die Preisunterschiede zwischen Plankstädter Tabak und Tabak aus Uganda sind groß. Nur: Es geht nicht um riesige Mengen. Die gesamte Burley-Ernte der deutschen Tabakbauern bringt 2000 Tonnen auf die Waage. Die deutschen Burley-Bauern haben der hiesigen Rauchtabakindustrie ohnehin seit langem schon nur einen Bruchteil des benötigten Tabaks geliefert. Nämlich vier Prozent, 96 Prozent kamen vom Weltmarkt. Wenn die in Deutschland produzierenden Zigarettenmultis - Reemtsma, Philip Morris, JTI und British American Tobacco - den Tabakpflanzern die gesamte Ernte abnehmen würden, würde es sie acht Millionen Euro kosten. Auf dem Weltmarkt bekommen sie die gleiche Menge etwa für die Hälfte.

Die Tabakbranche verdient viel Geld

Es geht also um vier Millionen Euro. Das ist die Summe, an der sich entscheidet, ob die Hallwachs' und die anderen Tabakbauern nächstes Jahr wieder den Burley ernten oder nicht. Und das ist die Summe, an der sich entscheidet, ob die seit Generationen rund um Plankstadt gepflegte Kulturtechnik des Burley-Tabak-Anbaus womöglich ganz verschwindet.

Noch immer verdient die Zigarettenbranche viel Geld mit einem krebserregenden Produkt. Reemtsma zum Beispiel hat im Geschäftsjahr 2009 bei einem Umsatz von 904 Millionen Euro den ansehnlichen Gewinn von 441 Millionen erzielt. Der Absatz regulär in Deutschland versteuerter Zigaretten ist zwar branchenweit von 145 Milliarden Stück 2002 auf jetzt knapp 90 Milliarden im Jahr gesunken. Aber damit hat die Zigarettenindustrie dem Fiskus immerhin im vergangenen Jahr noch Steuereinnahmen von über 13 Milliarden Euro beschert. Und die großen Firmen der Branche geben sich gerne spendabel. Sie versuchen einiges, um ihr öffentliches Ansehen aufzupolieren. Sie sponsern vielfach soziale und kulturelle Projekte und vergessen nicht, auf dieses Engagement bei passender Gelegenheit hinzuweisen. Reemtsma lässt gerade bei einem Marktforschungsinstitut eine teure Image-Studie durchführen.

In den USA werden den Tabakbauern faire Preise gezahlt

Da ist es nicht völlig abwegig, dass die Tabakpflanzer Reemtsma und Co. nach deren sozialer Verantwortung für die Pflanzerfamilien fragen. Zumal es auch anders ginge: Wolfgang Moritz vom Bundesverband Deutscher Tabakpflanzer weist darauf hin, dass sich anderswo die Industrie großzügiger erweist: "In den USA wurden die Subventionen bereits vor Jahren gestrichen."

Aber im Land des rauchenden Cowboys habe sich die Industrie mit den Pflanzern an einen Tisch gesetzt. "Die Industrie zahlt unseren Kollegen in den USA seit Jahren faire Preise." Immer wieder werde verkündet, wie stolz die Branche auf die gefundene Lösung sei, die es erlaube, in einem westlichen Industrieland zu marktwirtschaftlichen Bedingungen Tabak anzubauen.

Zigarrenhersteller aus Deutschland zeigen sich solidarisch

Ein Kenner der Szene erklärt: "Bis 2007, als sich die Hersteller zerstritten haben und der Verband der Cigarettenindustrie (VdC) implodierte, gab es den Deal unter den Herstellern, dass die deutschen Tabakpflanzer nicht auf ihrem Zeug sitzenbleiben dürfen." Der Nachfolgerverband DZV, an dem Marktführer Philip Morris nicht mehr beteiligt ist, war dann nicht mehr dazu in der Lage, eine Branchenlösung für die Tabakpflanzer zu vereinbaren.

Einen kleinen Trost gibt es: Während sich die Zigarettenmultis Philip Morris, British American Tobacco, Imperial und Co. einen schlanken Fuß machen, stehen deutsche Mittelständler zu den Pflanzern. Zwei Zigarrenhersteller aus dem Westfälischen, Dannemann und Arnold Andre, zeigen sich solidarisch und nehmen den Bauern 450 Tonnen im Jahr ab. Der Vertrag läuft fünf Jahre.

"Der deutsche Tabak ist nicht kaufbar"

In diesen Tagen ist Bauer Hallwachs erstaunlich ruhig. "Ich bin immer ruhig." In einer Werkzeugkiste im Schuppen neben den Schleppern, die ungenutzt herumstehen, hat er noch ein Blatt Tabak aufbewahrt. Manchmal nimmt er es in die Hand. Er hofft immer noch, dass sich die Industrie bewegt und er nächstes Jahr wieder pflanzen kann.

Reemtsma-Sprecher Sebastian Blohm macht ihm da wenig Hoffnung: "Drei Kriterien sind für uns beim Ankauf des Tabaks ausschlaggebend: die Qualität, die Menge und der Preis. In allen drei Punkten ist der deutsche Tabak nicht kaufbar."