Das schmeckt: Bio-Bratwurst mit Senf auf dem Csörsz-Ökomarkt. Foto: Hartmann

Die fetten Jahre sind vorbei: Statt auf Hausmannskost setzen immer mehr Lokale in Budapest auf feine, leichte Küche. Ein Streifzug.

Budapest - Üppig gefüllte Palatschinken, fetttriefender Lángos und natürlich großzügige Portionen Gulasch, das hier allerdings als Pörkölt bekannt ist: Wer an ungarische Küche denkt, dem fallen wohl vor allem einfache, sättigende, schwere Gerichte ein, die mit viel Schmalz, Speck, Zwiebeln, saurer Sahne und Paprikapulver zubereitet werden. Ungarn steht nun mal für Puszta, Piroschka und Paprika. So weit das Klischee. Man kann aber auch ganz andere Seiten entdecken, vor allem in Budapest. Klar, es gibt die prächtigen Boulevards, die herrlichen Jugendstilbauten, wunderschön restaurierte Thermalbäder und altehrwürdige Kaffeehäuser. Opulente Kuchenspezialitäten wie die Dobos- und die Esterházytorte sind selbstverständlich stets eine Sünde wert. Doch in der Hauptstadt hat sich längst eine aufregende junge Szene entwickelt.


Takács steht stellvertretend für eine neue Generation ungarischer Köche

Mit zahlreichen ausgefallenen Boutiquen, einem quirligen Kunstbetrieb sowie Clubs und Bars für Nachtschwärmer. Logisch, dass eine solch umtriebige Atmosphäre auch Raum für eine moderne, leichte, extravagante Küche bietet. „Es halt sich viel getan“, sagt zum Beispiel Lajos Takács, einst im Restaurant Olimpia tätig, heute Chefkoch im Trend-Lokal Lacipecsenye, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die St.-Stephans-Basilika genießen kann - und eben eine anspruchsvolle Küche, die stets ihre Wurzeln im Blick hat. Takács steht stellvertretend für eine neue Generation ungarischer Köche, die nationale Klassiker mit Trends aus aller Welt kombinieren: „Wir wollen zeigen, dass Ungarn sich nicht vor anderen Küchen verstecken muss.“ In seinem Lokal setzt er zwar auf Fleischgerichte wie Rippchen, Mangalitza-Schwein, Entenbrust, Lammrücken. Was nach schwerer, eher rustikaler Kost klingt, kommt aber wunderbar leicht auf die Teller.


Auch das dreigängige, auf seine Art interpretierte und kreativ verfeinerte Gulasch-Menü. „Wir haben aber noch immer das Problem, dass uns lokale Produzenten fehlen, die hochwertige Ware bieten“, so Takács. Ähnlich sieht das auch Szabina Szulló, Chefköchin im Sternelokal Onyx - und die bisher einzige Frau, die in Osteuropa einen Michelin-Stern erkocht hat. Ihre Interpretation der Gulaschsuppe zum Beispiel, aufgedröselt in ihre Bestandteile und Geschmäcker und dann doch wieder wunderbar verschmolzen, ist preisgekrönt. Eine Wucht auch die locker-leichte Version des Dessertklassikers Somlauer Nockerl. „Ich würde gern sagen, dass es in unserem Lokal ganz um ungarische Küche geht“, sagt Szulló. Doch leider könne man noch nicht rein auf lokal oder regional erzeugte Produkte setzen. Und so ist das Onyx, etwas überladen dekoriert und im berühmten Kaffeehaus Gerbeaud im Zentrum angesiedelt, eben „französisch orientiert mit starken ungarischen Einflüssen“, wie Souschef Tamás Széll hinzufügt. Immerhin: Inzwischen gibt es einige Märkte in Budapest, auf denen die Köche gute, saisonale, frische Ware kaufen können - und die auch für Touristen einen Besuch wert sind.


Der Bauernmarkt im Innenhof der im jüdischen Viertel gelegenen Kneipe Szimpla Kert etwa, der ersten Ruinenbar Budapests. Heute ist es längst Mode geworden, in vom Abriss bedrohten Gebäuden, von denen es in Budapests Zentrum immer noch so manche gibt, schicke Bars mit Underground-Ambiente zu eröffnen. Das Szimpla hat sich etabliert, in Berlin eine Filiale eröffnet, ist zur Marke geworden. Jeden Sonntag von 9 bis 14 Uhr kann man sich dort ins Getümmel des Markts begeben. Auf der Budaer Seite bieten derweil auf dem Csörsz-Ökomarkt Kleinbauern aus der Gegend immer samstagvormittags Wurstwaren, Gemüse, Kräuter und Käse in Bioqualität an. Auch Lajos Takács kauft hier ein. Ansonsten sagt er: „Meine Generation ist noch daran gewöhnt, dass man Dinge ausprobiert, dass man improvisiert, wenn es mal was nicht zu haben gibt.“ Mangel herrscht in Budapest allerdings keiner mehr. Obwohl die fetten Jahre vorbei sind. In puristisch bis minimalistisch gestalteten Restaurants wie dem Costes, Budapests erstem, im Jahr 2010 ausgezeichneten Sternelokal, oder dem am trubeligen Liszt-Platz gelegenen Menza kann man auf hohem und höchstem Niveau speisen.


Touristen sind meist zahlungskräftiger als viele der Einheimischen

Allerdings hat das auch seinen Preis. Folkloristische Touristenlokale, in denen üppige Portionen zu unglaublich billigen Preisen serviert werden, sind quasi vom Aussterben bedroht. Im Vergleich zu westeuropäischen Großstädten ist vielleicht noch die Spitzengastronomie als günstig zu bezeichnen. So kostet das dreigängige Mittagsmenü im Onyx wochentags von 12 bis 14.30 Uhr umgerechnet etwa 25 Euro (abends muss man fürs große Menü jedoch um die 95 Euro investieren). Ansonsten gibt es kaum noch große Preisunterschiede zur deutschen Gastronomie. Das bedeutet auch, dass die Touristen in den schön gestylten und besonders teuren Lokalen oft unter sich bleiben. Sie sind meist zahlungskräftiger als viele der Einheimischen. „Etwa 15 bis 20 Prozent unserer Gäste sind Ungarn, der Rest Touristen“, heißt es etwa im Sternelokal Onyx.


Wer es sich leisten kann, zeigt sich dennoch gern - etwa im berühmten Bock Bisztró des Villanyer Winzers József Bock oder im etwas günstigeren Ableger Vendéglö a KisBíróhoz, der auf der Budaer Seite liegt und auch bei den Einheimischen sehr beliebt ist. Dort wird unter anderem auf ungarische Häppchen gesetzt - Schweinefiletwürfelchen mit krosser Blutwurst oder mit Zander gefüllte Kohlrouladen. Dazu kommen neu interpretierte Klassiker wie Paprika-Huhn und extravagante Kreationen wie Hirneis. „Unsere Philosophie ist die Zubereitung innovativer, authentisch-ungarischer Speisen“, sagt KüchenchefLajos Biró. Es muss eben nicht immer Gulasch sein. Dafür Kaviar. Zumindest im Arany Kaviár Restaurant. Ob Vorspeise, Hauptgang oder Dessert: Hier werden spannende, äußerst kunstvoll präsentierte Kreationen mit Kaviar serviert. Wer hätte gedacht, dass Mangosorbet mit weißer Schokoladenmousse und Beluga-Kaviar aufs Beste harmoniert? Wer sich einfach mal durchprobieren möchte, dem seien die zahlreichen Kulinarik-Festivals ans Herz gelegt. Im Dezember etwa der „Geschmack Ungarns“ - da dürfen es dann ruhig mal Gulasch, Verzeihung, Pörkölt, Palatschinken und Paprika sein.

Infos zu Ungarn

Ungarn
 

Anreise

Direktflug ab Stuttgart mit Germanwings ab ca. 100 Euro, www.germanwings.com .


Essen und Trinken

Costes, das erste Lokal in Budapest, das einen Michelin-Stern erhielt (2010), minimalistische Einrichtung, innovative Küche, www.costes.hu
Onyx, Sternelokal im altehrwürdigen Gebäude des berühmten Kaffeehauses Gerbeaud, französisch inspiriert sowie Neuinterpretationen ungarischer Klassiker, www.onyxrestaurant.hu
Arany Kaviár Restaurant, spannende Kreationen mit Kaviar, www.aranykaviar.hu
Café Pierrot, auf dem Burgberg gelegen, moderne ungarische Küche, www.pierrot.hu
Alabárdos, ebenfalls auf dem Burgberg, elegant interpretierte Ungarnklassiker, www.alabardos.hu
Vendéglö a KisBíróhoz, extravagante Küche mit zum Teil schrägen Ideen (zum Beispiel Hirneis) , http://bockbisztro.hu
Menza, legeres Ambiente, www.menzaetterem.hu.
Olimpia, keine feste Speisekarte, der Koch bereitet zu, was er auf dem Markt erstanden hat, www.alparutca5.hu.
Lacipecsenye, gemütliches Bistro in der Sas utca 11 .


Unterkunft

Novotel Budapest Centrum, DZ ab 65 Euro, www.novotel.com.
Zara Continental Hotel Zara Budapest, DZ ab 90 Euro, http://continentalhotelbudapest.com.
Mowitania-Ferienwohnungen, ab 40 Euro für zwei Personen, www.mowitania.de.


Kulinarik-Festivals

Ob Fisch, Wurst, Schnaps oder Wein: In Budapest gibt es inzwischen zahlreiche Festivals, die sich dem Thema Essen und Trinken widmen. Am bekanntesten sind wohl das jedes Jahr im Mai stattfindende Gourmet-Festival und das Wein-Festival im September. Doch auch im Herbst und Winter stehen einige Termine an, etwa der Martinstag vom 7. bis zum 9. November, „Neuer Wein und Käse“ am 28. und 29. November, der „Geschmack Ungarns“ vom 18. bis zum 23. Dezember sowie das Mangalitza-Festival vom 6. bis zum 8. Februar 2016.