Bundespräsident Christian Wulff spricht mit Menschen, die aus der verseuchten Zone rund um den Atomreaktor Fukushima evakuiert wurden. Foto: dapd

Nur unweit von Fukushima spricht Wulff mit Menschen, die durch die Katastrophe obdachlos wurden.

Tokio - Bundespräsident Christian Wulff hat bei einem Besuch im Katastrophengebiet von Fukushima Opfern und Hinterbliebenen weitere Hilfe aus Deutschland zugesagt. Zugleich würdigte Wulff am Dienstag die Aufbauleistung der Japaner. In Iwaki, etwa 50 Kilometer von der Stadt Fukushima entfernt, traf Wulff am Dienstag außerdem Menschen, die nach dem Reaktorunfall ihre Häuser verlassen mussten. Auch sieben Monate nach Erdbeben, Tsunami und Atomunfall leben noch Tausende in Behelfwohnsiedlungen. Etwa 16 000 Menschen kamen damals ums Leben, 4000 gelten noch als vermisst.

„Ich verneige mich vor ihrer Aufbauleistung“, sagte Wulff bei der Besichtigung einer Behelfswohnsiedlung. "Die Menschen in Deutschland fühlen mit Ihnen.“ Er äußerte auch Verständnis für die anhaltende Unsicherheit über die Strahlenbelastung. Hier müsse so schnell wie möglich Klarheit geschaffen werden. Die Sorge vor der Strahlung ist ein Grund, warum viele Menschen nicht in ihre Heimatorte zurückkehren.

Wulff preist deutschen Atomausstieg

Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Tsukuba-Universität in Tokio hatte Wulff zuvor den Atomausstieg in Deutschland als „Jahrhundertprojekt“ bezeichnet und mit dem Plan zur Mondlandung verglichen. Das Projekt müsse jetzt entschlossen umgesetzt werden, dazu gehörten Fortschritte bei der Energieeffizienz.

Die Katastrophe von Fukushima zeige, dass man auch das „Undenkbare“ mitdenken und Fortschritt mit Nachhaltigkeit einhergehen müsse. Angesichts des Klimawandels werde deutlich, dass Wachstum künftig von immer höherem Ressourcenverbrauch abgekoppelt werden müsse.

Begeisterung erhalten

Die Welt muss sich nach den Worten von Wulff die Begeisterungsfähigkeit für technische Neuerungen unbedingt erhalten, gleichzeitig aber, etwa bei der Stammzellenforschung, grundsätzliche Diskussionen um den Wert und die Würde menschlichen Lebens führen. Technischer Fortschritt müsse immer auch an ethischen Grundfragen gemessen werden. „Nicht alles, was technisch machbar ist, soll auch wirklich gemacht werden.“

Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik sagte Wulff, wissenschaftliche Expertise müsse gesellschaftliche und politische Willensbildung stets begleiten. Die Entscheidungsfindung selbst aber müsse bei den gewählten Volksvertretern liegen.

Um den Zusammenhalt der Generationen nicht zu gefährden, dürfe die jetzige Generation nicht durch ein Leben auf Pump den Wohlstand der Zukunft verbrauchen. „Das gilt für unsere private und staatliche Verschuldung, aber auch für unseren Umgang insgesamt mit den Ressourcen“, sagte Wulff.