Heute stehen an dieser Stelle hinter dem Bahnhof im Stuttgarter Norden Hochhäuser. Im 18. Jahrhundert stand hier ein zwölf Meter hoher Galgen, an dem am 4. Februar 1738 Joseph Süßkind Oppenheimer hingerichtet wurde. Foto: Württembergische Landesbibliothek, Graphische Sammlungen

Wenige wurden von ihren Zeitgenossen und der Nachwelt so grausam zugerichtet wie der Freigeist, Geschäftsmann und Finanzrat Joseph Süßkind Oppenheimer. Die Autorin Raquel Erdtmann hat den antisemitischen Justizmord anhand der Gerichtsakten neu aufgerollt.

Alles war genau geplant. Ein Volksfest soll es werden. Schon seit Wochen haben die Werkstätten der Stuttgarter Schlosserzunft einen dreieinhalb Zentner schweren Käfig geschmiedet und rot angestrichen, passend zu der Kluft, in die man den Delinquenten gesteckt hat. Und war die Stadt auch in vielem nicht auf der Höhe der Zeit, verfügte sie doch über einen der höchsten Galgen weit und breit. An einem sonnigen Februartag 1738 wird vor 12000 Schaulustigen der frühere Geheime Finanzrat Joseph Süßkind Oppenheimer erdrosselt, um danach an einer Kette um den Hals in besagten Eisenkäfig gehängt zu werden, wo, was von ihm übrigblieb, sechs Jahre ausgestellt wurde, „für jedermann zum abscheulichen Exemplar“.