Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) hat den Corona-Expertenrat ins Leben gerufen (hier ein Bild von einem Treffen im Dezember 2021). Foto: dpa/Guido Bergmann

Das Bundeskanzleramt will Unterlagen zur Arbeit des Corona-Expertenrats unter Verschluss halten. Unsere Redaktion hält nun juristisch dagegen.

Die Redaktion von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten fordert vom Bundeskanzleramt nun mit juristischen Mitteln Informationen zur Arbeit des Corona-Expertenrats. Nachdem eine Anfrage nach Presseauskunft- und Informationsfreiheitsrecht erfolglos geblieben waren, ging dem Kanzleramt nun ein förmlicher Widerspruch zu. Sollte die Behörde weiter schweigen, bleibt nur noch der Gang vors Verwaltungsgericht.

Der Hintergrund ist eine Anfrage vom Dezember zur Arbeit des Corona-Expertenrats. Damit wollte und will Bundeskanzler Olaf Scholz die Coronapolitik der Ampelkoalition transparenter und glaubwürdiger machen – so wird er jedenfalls auf der Regierungswebsite zitiert. Im Winter beriet das 19-köpfige Wissenschaftlergremium weitere Einschränkungen im Zuge der Delta- und Omikronwellen, nun begleitet es die Öffnungs- beziehungsweise Durchseuchungsstrategie der Bundesregierung mit schriftlichen Stellungnahmen.

Was spricht gegen Transparenz?

Diese Texte werden regelmäßig nach Sitzungen des Gremiums veröffentlicht. Wie sie zustandekommen, welche Expertise oder Studien die Mitglieder einbringen und welche Punkte noch diskutiert werden, will das Bundeskanzleramt nicht sagen. In einem Schreiben von Anfang Februar lehnt es eine Anfrage unserer Redaktion mit der Begründung ab, dass die Informationen die „Beratungs- und Entscheidungsprozesse hinsichtlich des Themenbereichs ‚Sars-Cov-2’“ beeinträchtigen würden. Das Thema sei weiterhin im Fluss, deshalb könne man keine Details herausgeben.

Wie unter solchen Prämissen die von Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Einführung des Expertenrats versprochene „Akzeptanz und Toleranz“ der Bevölkerung für die Coronapolitik erhöht werden soll, bleibt nicht nur unklar – die Frage ist nun auch Teil eines zwölfseitigen Schreibens des Anwalts unserer Redaktion. Es ging mittlerweile dem Bundeskanzleramt zu und fordert erneut die Herausgabe von Tagesordnungen, Protokollen und anderen Unterlagen zur Arbeit des Corona-Expertenrats: „Was spricht dagegen, wenn die Öffentlichkeit nun über den Sommer die Richtigkeit oder Mangelhaftigkeit der beschlossenen Coronamaßnahmen anhand der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse diskutiert?“

Urteil als Wegweiser

Sollte es über diese Frage tatsächlich zum Gerichtsverfahren kommen, würde vermutlich auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg betrachtet. Es fordert (bislang nicht rechtskräftig) die Herausgabe von Sitzungsprotokollen des wissenschaftlichen Beirats im Bundesfinanzministerium – eben weil dadurch die künftige Arbeit vermutlich nicht beeinträchtigt werde. Im Falle des Corona-Expertenbeirats kommt nach zwei Jahren Pandemie das im Schreiben des Anwalts unserer Zeitung an das Kanzleramt ebenfalls erwähnte „überragende öffentliche Informationsinteresse“ hinzu.

Lehnt das Bundeskanzleramt den nun formulierten Widerspruch ab, kann innerhalb eines Monats vor dem zuständigen Verwaltungsgericht geklagt werden. Solche Klagen sind alles andere als unüblich, wie etwa eine Aufstellung des Informationsfreiheitsportals fragdenstaat.de zeigt.