Dürfen Jurastudierende am Sonntag vor der Stuttgart Arena demonstrieren? Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Kann die Uefa eine Demo im Umfeld von Stadien verhindern? Jurastudierende wollen am Sonntag gegen „Clean Zones“ vor der Stuttgart Arena protestieren. Eine Genehmigung dafür hat die Stadt noch nicht erteilt.

Kann die Uefa Grundrechte aushebeln? Angehende Juristinnen und Juristen stellen diese Frage und suchen eine Antwort darauf. Für kommenden Sonntag, wenn in der Stuttgart Arena um 21 Uhr Schottland gegen Ungarn spielt, wollen sie unweit der Eingänge mit einer kleinen Gruppe gegen sogenannte Clean Zones demonstrieren, also gegen Zonen mit Demoverbot.

Laut Medienberichten hat sich der europäische Fußballverband von den Host Citys vertraglich zusichern lassen, dass es in einem Radius von 500 Metern um die Stadien keine „politische und religiöse Versammlungen“ geben darf – allein Werbung sei in diesem Bereich erlaubt. Die Stadt Stuttgart hält dagegen: Man habe keine Klausel in Verträgen mit der Uefa unterschrieben, wonach vor Stadien Versammlungen untersagt werden. „In Stuttgart gibt es keine Demonstrationsverbotszone, in der sonst zulässige Versammlungen ausgeschlossen wären“, erklärt Rathaus-Sprecher Harald Knitter.

Stadt bietet einen Versammlungsort auf der Brücke zur Schleyerhalle an

Fast scheint es, als hätten die Studierenden eine juristische Praxisübung im Neckarpark geplant, mit dem Ziel, herauszufinden, wie weit die Uefa geht, wenn vor einem Stadion demonstriert wird. Der Arbeitskreis Kritische Jurist*innen hat bei der Stadt Stuttgart eine Kundgebung „gegen Clean Zones“ genau in einem dieser Bereiche am Stadion beantragt – grünes Licht für die Anmeldung gab es bisher aus dem Rathaus nicht.

Die Ordnungsbehörde habe in einem Anruf versucht, den Studierenden diese Idee auszutreiben, sagt Felix Frank, Sprecher des Arbeitskreises unserer Redaktion: „Man hat uns angeboten, dass wir auf der Brücke zur Schleyerhalle oder auf der Treppe der Porsche-Arena demonstrieren könnten.“ Doch dies haben die Antragsteller abgelehnt. Sie wollen in Sichtnähe zum Stadion vor dem Spiel ihre Kundgebung gegen die Uefa abhalten.

Nun warten die Jurastudierenden auf die Entscheidung der Stadt Stuttgart. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes sei ein „fundamentales demokratisches Recht, das nicht ohne triftigen Grund eingeschränkt werden darf“, erklärt Mariel Bernnat vom Arbeitskreis. Wenn die Uefa glaube, die Grundrechte stünden hinter kommerziellen Interessen an der EM zurück, dann irre sie sich, unterstreicht Nils Rasche für die Studierenden.

Sollte die Stadt die Demo ablehnen, geht’s vor das Verwaltungsgericht

Sollte die Stadt die beantragte Demonstration ablehnen, werde man umgehend eine Eilentscheidung beim Verwaltungsgericht beantragen, betont Felix Frank. Die Studierenden seien gewillt, bis in die höchste Instanz möglichst bis Sonntag zu ziehen und dort klären zu lassen, was in Deutschland wichtiger wiege: die Meinungsfreiheit oder kommerzielles Gewinnstreben. Höchst bedenklich sei es, „dass sich die Uefa, die mit der EM voraussichtlich Milliardengewinne erzielen wird, anmaßt, die Grundrechte vertraglich ausschalten zu können“. Kritik üben die Studierenden auch an der Stadtverwaltung, die „diese verfassungsfeindliche Klausel“ unterschrieben habe.

Stadt hält sich an die „geltende Verwaltungspraxis“

Dem widerspricht die Stadt Stuttgart. „Eine Verpflichtung zum Verbot zulässiger Versammlungen wurde durch die Landeshauptstadt gegenüber der Uefa nicht ausgesprochen“, versichert Rathaussprecher Harald Knitter, „das wäre auf Grund der Bedeutung des Versammlungsrechts und der geltenden Rechte auch nicht möglich.“ Versammlungen könnten grundsätzlich stattfinden und würden lediglich bei Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit per Auflage eingeschränkt und in selten Fällen komplett verboten, so Knitter. Die Host City habe in der Absichtserklärung zur Bewerbung als Austragungsort der EM „die geltende Verwaltungspraxis“ dargestellt, versichert der Rathaussprecher. Man werde nun „Kooperationsgespräche“ mit den Jurastudierenden führen, ehe ein Versammlungsbescheid festgelegt werde.

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