In mehr als 500 Jahren die erste Frau an der Spitze der Universität Tübingen: Rektorin Karla Pollmann. Foto: Universität Tübingen/Friedhelm Albrecht

Das Wissenschaftsministerium will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mehr Nachwuchswissenschaftlerinnen an den Hochschulen halten. Doch die Rektoren sind skeptisch.

Auf den ersten Blick sieht es gar nicht so schlecht aus mit den Frauen an der Spitze der Hochschulen in Baden-Württemberg. Immerhin vier der neun Landesuniversitäten werden von einer Rektorin geführt: Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Konstanz. Auch die Duale Hochschule und verschiedene Fachhochschulen haben Präsidentinnen.

Doch damit gibt sich Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) nicht zufrieden. „Gleichstellung an Hochschulen ist eine relevante Herausforderung“, sagte sie unserer Zeitung. „Ohne die Frauen werden wir bestimmte Probleme nicht lösen“.

Denn Baden-Württemberg hinkt dem Bundesdurchschnitt hinterher. Bundesweit kamen im Jahr 2021 alle staatlichen Hochschulen auf einen Frauenanteil von 27 Prozent bei den W2- und W3-Professuren. In Baden-Württemberg sind nur 23 Prozent der 7500 Professoren weiblich.

„Wir sind bei weitem nicht, wo wir sein wollen, aber wir sind deutlich besser als noch vor einigen Jahren“, konstatiert Olschowski. Für 2013 weist das Statistische Landesamt 19 Prozent Professorinnen aus. Jetzt soll es weiter vorangehen. Am Ende steht für die Ministerin langfristig natürlich die Parität. Aber zunächst „wollen wir so schnell wie möglich über den Bundesdurchschnitt kommen“.

Zentrale Rolle für Juniorprofessorinnen

Baden-Württemberg setzt bei der Hochschulkarriere für Frauen ab sofort stärker auf die Juniorprofessuren. Davon gibt es im Land derzeit 281. Auch da sieht Olschowski für die Frauen „Luft nach oben“, im Jahr 2021 waren im Land wie im Bund 48 Prozent der Juniorprofessoren Frauen. Sie will die Hochschulen animieren, mehr Juniorprofessuren einzurichten und gleichzeitig Juniorprofessorinnen zu Frauenförderinnen machen.

Dazu soll nun das nach der Hohenheimer Professorin Margarete von Wrangell, der ersten Professorin Deutschlands, benannte Frauenförderprogramm des Landes neu ausgeschrieben werden. Bisher ging es dabei um Habilitationsförderung. Jetzt rücken die Juniorprofessorinnen in den Mittelpunkt. Sie können mit dem neuen Programm für drei Jahre eine wissenschaftliche Mitarbeiterin einwerben. Damit will das Land frauenpolitisch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Chance für frischgebackene Doktorinnen

Die Juniorprofessorin stärkt ihr Forschungsgebiet und ihre Aussichten auf eine Lebenszeitprofessur und Nachwuchswissenschaftlerinnen können durch die Anstellung direkt nach der Promotion an die Hochschule gebunden werden. Bisher verlassen viele Doktorinnen nach der Promotion die Wissenschaft, weil der Berufsweg in Richtung Professur auf Lebenszeit so schwer planbar sei, bedauert Olschowski. Sie sagt: „Verlässlichere und transparente Karrierewege nach der Promotion sind ein wesentlicher Schlüssel, Gleichstellung in der Wissenschaft voranzubringen.“

40 Prozent der Finanzierung des Programms kommen vom Europäischen Sozialfonds, der Rest fast ausschließlich vom Land. Die Hochschulen selbst müssen in drei Jahren nur 15 000 Euro dazugeben. „Es gibt keinen Grund für die Hochschulen, die Anträge der Juniorprofessorinnen abzulehnen“, sagt Olschowski.

Rektoren sehen Überforderung

Mit diesem neu justierten Förderprogramm sieht die Ministerin den Südwesten auf einem bundesweit neuen Weg. Die Rektoren der Universitäten sind jedoch deutlich weniger euphorisch. Thomas Puhl, Rektor der Universität Mannheim und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz, hält es zwar wie Olschowski für „essenziell, eine deutlich höhere Zahl von weiblichen Postdocs auf eine Professur zu bringen“. Doch hält er den neuen Ansatz für falsch. Puhl: „Das Land plant nun offensichtlich, bei frisch promovierten Wissenschaftlerinnen anzusetzen, was wir nicht für den richtigen Weg halten.“ Die Juniorprofessorin, bei der die Stelle angesiedelt werden soll, sei selbst in der entscheidenden Karrierephase vor einer Dauerprofessur und werde sich weniger auf die Karriereförderung einer jungen Kollegin konzentrieren können. Nachwuchswissenschaftlerinnen sollten lieber in der zweiten Hälfte der Postdoc-Phase (der Phase nach der Promotion) gefördert werden, um ihre Chancen für ein erfolgreiches Berufungsverfahren auf eine Professur zu verbessern. Die Rektoren „zweifeln daher, dass es viele Bewerbungen für das Programm geben wird“. Sie hoffen nun auf eine schnelle Evaluation, „sodass man zügig nachsteuern kann.“

Vorbildrolle für Professorinnen

Neben dem neuen von Wrangell-Programm will das Land die Nachfrage nach dem Professorinnenprogramm des Bundes steigern. Baden-Württemberg verdoppelt seine finanzielle Beteiligung von 30 000 auf künftig bis zu 60 000 Euro im Jahr und hofft bis 2030 so 51 Professorinnen fördern zu können. Zudem setzt man weiterhin auf die Bedeutung von Rollenvorbildern. Gleichstellungsbeauftragte haben seit 2014 in jeder Berufungskommission der baden-württembergischen Hochschulen Stimmrecht. Das habe zur Verbesserung der Gleichstellung beigetragen. Dennoch: „Wir müssen Frauen aktiv zu Bewerbungen auffordern, besonders an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften“, so Olschowski. Und es braucht einen langen Atem: Von den 7500 Professuren im Land werden im Jahr nur 350 neu besetzt.