Im portugiesischen VW-Werk Autoeuropa wird neben Eos und Sharan auch das Fahrzeug Scirocco gefertigt. Foto: dpa

Das VW-Werk in Portugal gilt als einer der Hoffnungsträger für die langsam in Fahrt kommende Wirtschaft des Landes. Ein Auto, erst recht einen Neuwagen der Marke VW, kann sich hier kaum ein Normalverdiener leisten.

Das VW-Werk in Portugal gilt als einer der Hoffnungsträger für die langsam in Fahrt kommende Wirtschaft des Landes. Ein Auto, erst recht einen Neuwagen der Marke VW, kann sich hier kaum ein Normalverdiener leisten.

Palmela - Der Hafen von Lissabon ist ein guter Standort, um zu erkennen, ob sich die Wirtschaft Portugals erholt. Reihenweise fahren Containerschiffe an der Statue des Entdeckers Vasco da Gama vorbei, legen an – und voll beladen wieder ab. Dies tun sie seit 2013 häufiger, nachdem niedrigere Arbeitskosten die Fertigung in dem Land wieder wettbewerbsfähiger gemacht haben. Aus Portugal kommen Leica-Kameras und Geschirr für Ikea. Der größte Exporteur ist aber ein deutsches Unternehmen: Volkswagen. 99,2 Prozent der im Werk Autoeuropa nahe Lissabon produzierten Modelle Eos, Scirocco und Sharan sind für die Auslieferung in alle Welt bestimmt.

Auf den Straßen, die von der Hauptstadt zu Autoeuropa nach Palmela führen, fällt Volkswagen hingegen nicht so sehr auf: Kaum ein Auto trägt das VW-Emblem. Nur wenig anders sieht es auf dem Mitarbeiter-Parkplatz des Werks aus. Solche Beobachtungen quittiert der Manager des Werks, Steffen Schudt-Pialat, mit einem bitteren Lächeln: „Der Markt ist überschaubar für uns.“

Ein Auto, erst recht einen Neuwagen der Marke VW, kann sich hier kaum ein Normalverdiener leisten – bedingt durch die Krise, aber auch aufgrund einer Luxussteuer, die den Preis der Fahrzeuge in die Höhe treibt. Ein Scirocco, der in Deutschland für 30 000 Euro zu haben ist, wird hier nicht unter 40 000 Euro verkauft.

Dennoch gilt die Automobilbranche als einer der wenigen Hoffnungsträger, insbesondere das VW-Werk Autoeuropa in Palmela mit 3600 Mitarbeitern. Die Fahrzeuge, die hier produziert werden, machen knapp 60 Prozent des gesamten Produktionsvolumens des portugiesischen Automarktes aus. Ansonsten lassen noch Peugeot Citroën, Mitsubishi und Toyota in Portugal Autos herstellen.

„Wenn Autoeuropa nur hustet, fürchtet jeder, dass das ganze Land krank wird“, war etwa einer der ersten Sätze, die Schudt-Pialat zu hören bekam, als er 2012 den Finanzsektor von Autoeuropa übernahm. „Das hielt ich anfangs für komisch“, sagt der 38-Jährige. Zuvor war er in der VW-Produktionsstätte in Zwickau tätig, die etwa dreimal so groß ist, aber weder in den Medien noch in der Politik eine annähernd so große Rolle spielt wie das Werk in Portugal.

Die Sorgen um einen der größten Arbeitgeber sind nachvollziehbar für eine Regierung, die ein Land aus der Krise steuern muss. Die Erholung findet nur schleichend statt. Unter der Situation hat auch VW Autoeuropa zu leiden, das 2013 mit seinem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro immerhin ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes bestritten hat. „Auch wir hatten hier im Werk Volumenrückgänge“, sagt Schudt-Pialat. 2013 liefen 91 000 Fahrzeuge vom Band, 20 Prozent weniger als noch im Jahr 2012 mit 112 550 Autos. 2011 waren es sogar 133  100 Autos. Derzeit ist das Werk zu 70 Prozent ausgelastet – die Vorgabe des Konzerns liegt eigentlich bei gut 80 Prozent. Dieses Jahr scheint es wieder bergauf zu gehen: Das Management rechnet mit einem Produktionsvolumen von 95 000 Autos.

308 Portugiesen werden weltweit in andere Werke des Konzerns ausgeliehen

Ein Plus von sechs Prozent – eine Entwicklung, die auch die Mitarbeiter aufatmen lässt: Denn weniger Volumen bedeutet gewöhnlich auch weniger Beschäftigung. „Unser Ziel ist es, keinen unserer Angestellten zu entlassen“, sagt Schudt-Pialat. Bislang klappt dies ganz gut: So sind derzeit 308 Portugiesen weltweit in andere Werke des Konzerns ausgeliehen, 200 von ihnen helfen gerade bei der Golf-Produktion in Wolfsburg mit – für den gleichen Lohn plus einem Standortzuschlag. Im Gegenzug erhält Autoeuropa als Einnahme das Geld, das der VW-Konzern an Leiharbeitern spart. „Diese Programme sind alle mit dem Betriebsrat abgestimmt“, sagt Schudt-Pialat.

Solche Ausleihen funktionieren, weil das Lohnniveau der Portugiesen relativ niedrig ist. Der Stundenlohn eines Mitarbeiters in der Produktion liegt bei 20 Euro, und damit zwei Drittel günstiger als in Deutschland. Sie funktionieren aber auch, weil sich die Portugiesen sehr leistungsbereit und wendig zeigen: Für den Stellentausch ins Ausland haben sich mehr als doppelt so viele Mitarbeiter gemeldet, wie genommen werden konnten.

Ein Großteil will seinen Auslandsaufenthalt sogar verlängern. Aber auch bei den übrigen Mitarbeitern ist der Arbeitseifer ungebrochen, das belegt die Anwesenheitsquote von 99 Prozent. Mag sein, dass die Lohnstruktur dazu beiträgt: Anders als in Deutschland werden portugiesischen Angestellten die Krankheitstage vom Gehalt abgezogen. Und wer erkrankt, geht in der Regel zuerst zum Werkarzt.

Diese Umstände tragen dazu bei, dass Schudt-Pialat zuversichtlich in die Zukunft des Autowerks schaut: Insgesamt wird hier günstiger produziert als in Spanien. Selbst im Vergleich zu Osteuropa kann Portugal gut mithalten. Solche Vorteile sind Autoeuropa von Nutzen – gerade jetzt, wo es darum geht, ein Nachfolgemodell für den Eos zu bekommen, dessen Produktion 2015 auslaufen wird. „Ich denke, dass wir diesen Standort nicht nur erhalten, sondern auch stärker auslasten“, sagt der Manager. „Es ist uns allen bewusst, dass wir hier eine Perle haben.“

Ein Nachteil des Werks bleibt die Randlage: Einmal pro Woche bringt ein Zug aus Braunschweig Teile für die Fertigung. Die unterschiedlichen Schienensysteme zwischen Frankreich und Spanien erschweren den Transport erheblich. Die Autos werden daher fast alle per Schiff exportiert. Zudem ist das Management von Autoeuropa auf eine Leistungssteigerung der portugiesischen Lieferanten angewiesen, wenn die Logistikkosten reduziert werden sollen.

Eine Aufgabe, die sich schwieriger als gedacht herausstellt: Viele einheimische Firmen sehen sich noch nicht in der Lage, in größeren Stückzahlen zu immer gleicher Qualität zu liefern. „Die Unternehmen brauchen eine solide Vorfinanzierung“, sagt Schudt-Pialat. „Da steckt das Problem, nicht beim Know-how.“ Einen Erfolg kann er aber schon verkünden: Die Stoffe für die Neuauflage des Polo, der im spanischen Pamplona produziert wird, sind ab sofort made in Portugal.