Ein langes Gesicht bei der britischen Premierministerin Theresa May. Sie erlebte die größte politische Niederlage ihrer Karriere. Foto: AFP

Das britische Unterhaus hat abgestimmt. Die Abgeordneten stellen sich gegen den von May ausgehandelten Brexit-Deal und machen den Weg frei für eine wilde Scheidung. Eine törichte Entscheidung, meint Chefredakteur Christoph Reisinger.

London - Das war’s dann. Ob die britische Regierungschefin Theresa May noch einen Plan B für die Trennung ihres Landes von Europa fabriziert oder ob sie zuvor aus dem Amt kippt: Es wird nichts mehr daran ändern, dass es auf eine wilde Scheidung hinausläuft.

Wenig gesunder Menschenverstand an britischer Entscheidung

Das ist die schlechteste, weil teuerste und komplizierteste Variante. Die Verantwortung liegt bei den Briten: Sie haben für den Austritt gestimmt. Ihr Parlament hat May die Zustimmung zu einer Austrittsregelung verweigert, mit der die EU den törichten Aussteigern über Gebühr entgegengekommen wäre. Der Vorrat an gesundem Menschenverstand als viel gerühmte Grundlage britischer Außenpolitik scheint aufgebraucht.

Das ist bitter. Nicht zuletzt für die deutsche Exportwirtschaft und erst recht für die britische, die sich mit absurd erschwerten Marktzugängen werden herumschlagen müssen. Ein Grund, nun völlig schwarz zu malen, besteht freilich nicht. Die deutsch-britischen Beziehungen haben tiefe gesellschaftliche Wurzeln. Militärisch bleibt das Vereinigte Königreich ein starker Verbündeter.

Großbritannien wird an Bedeutung verlieren

Nur, eines haben die Befürworter des EU-Ausstiegs, erst recht des ungeregelten, offenbar nie begriffen: Großbritannien wird zu einem im globalen Maßstab kleinen Land am Rande Europas herabsinken. Vielleicht nicht schnell, aber unaufhaltsam. Wie es in diesem Status zuweilen läuft, haben die Schweizer 2014 erfahren. Ihr Land ist wirtschaftlich nicht klein, finanzwirtschaftlich ein Riese. Dennoch haben die USA gerade mal zwei Jahre gebraucht, das Bankgeheimnis zu beseitigen – mithin eine heilige Kuh der Eidgenossen. Das Bemerkenswerteste an dieser Geschichte: Luxemburg und Österreich kamen unter demselben Druck der USA überaus glimpflich davon. Sie waren halt geschützt durch die starke Solidargemeinschaft der EU.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de