Der Niederländer Mark Rutte soll wohl neuer Nato-Generalsekretär werden. Foto: dpa/Omar Havana

Hart gegen Russland, verständnisvoll gegenüber Donald Trump. Der Niederländer Mark Rutte bereitete seinen Karriereschritt an die Spitze der Atlantischen Allianz über Monate akribisch vor.

Rumänien benötigt noch eine kleine Schamfrist für den gesichtswahrenden Rückzug. Denn der Niederländer Mark Rutte wird sehr wahrscheinlich nächster Nato-Generalsekretär. Als möglicher Gegenkandidat ist nur noch der rumänische Staatspräsidenten Klaus Iohannis im Rennen, dem aber die Unterstützer von der Fahne gehen. Die Entscheidung brachte am Dienstag die Ankündigung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, dass er seinen Widerstand gegen Rutte aufgebe. Kurz darauf signalisierte auch der slowakische Präsident Peter Pellegrini seine Unterstützung für den Niederländer.

Baldiger Rückzug von Iohannis erwartet

Erwartet wird, dass Klaus Iohannis bald seine Bewerbung für die Nachfolge des Norwegers Jens Stoltenberg an der Spitze des westlichen Verteidigungsbündnisses zurückzieht. Entscheidend ist, ob für den rumänischen Staatschef, den es auf die internationale Bühne zieht, in der Europäischen Union ein angemessener Posten gefunden wird. Offensichtlich ist er für die angedachte Stelle eines EU-Verteidigungskommissars im Gespräch.

Derweil inszeniert sich Viktor Orban als Sieger des monatelangen Tauziehens in der Nato. Stoltenberg und Rutte seien auf seine Forderung eingegangen, dass Ungarn nicht an der Koordinierung von Waffenlieferungen der Nato für die Ukraine teilnehmen werde, teilte er geradezu triumphierend auf dem Kurznachrichtendienst „X“ mit.

Die Erleichterung bei der Nato ist groß

Die Erleichterung im Brüsseler Hauptquartier der Nato ist groß, denn beim großen 75-Jahre-Jubiläumsgipfel im Juli in Washington soll der neue Generalsekretär präsentiert werden. Es wäre eine diplomatische Blamage gewesen, hätte sich die Allianz nicht rechtzeitig einigen können.

Markt Rutte selbst hatte sich schon vor Monaten ins Gespräch für den Topposten der Allianz gebracht. Der 57-Jährige war nach seinem Rücktritt als Premier der Niederlande auf Arbeitssuche. Seine auffällig häufigen und pointierten Wortmeldungen, vor allem zum Überfall Russlands auf die Ukraine und der Verteidigungsfähigkeit des Westens, ließen keinen Zweifel an seinen Ambitionen aufkommen.

Ruttes großes politisches Geschick

Bei seiner Werbetour in eigener Sache bewies Mark Rutte immer wieder sein politisches Geschick. Auf der Suche nach Unterstützern zog er mit einem klaren Kurs in Sachen Russland gezielt die baltischen Staaten auf seine Seite. Die haben durch diesen Konflikt als Nato-Bollwerk an der Ostflanke in der Verteidigungsallianz sehr stark an Bedeutung gewonnen. So besuchte Rutte im Frühjahr die Nato-Basis im litauischen Rukla, auf der auch niederländische Nato-Soldaten stationiert sind. Präsident Gitanas Nauseda fand danach lobende Worte für seinen Gast. Der Niederländer gehöre zu den Politikern, die die Bedrohung durch Russland schon früh erkannten und der seine Haltung gegenüber Russland radikal veränderte, betonte Nauseda.

Auch Kaja Kallas scheint von Rutte überzeugt. „Für eine starke Nato müssen wir einen klaren Blick auf Russland richten, die Abschreckung und Verteidigungsausgaben erhöhen, die Mitgliedschaft der Ukraine und das geografische Gleichgewicht unterstützen,“ schrieb Estlands Regierungschefin schon früh auf „X“. Sie habe diese Punkte mit Mark Rutte besprochen und er bekenne sich zu diesen Prioritäten. Dann folgt der entscheidende Satz: „Estland kann ihn für den Posten des Nato-Generalsekretärs unterstützen.“ Dieser kurze Draht zu Kallas könnte ihm in seinem neuen Job sehr von Nutzen sein. Denn die Premierministerin gilt als große Favoritin für den Posten der EU-Außenkommissarin.

Die Niederlande unterstützen die Ukraine

Anders als viele andere EU-Staaten unterstützen die Niederlande auf Drängen von Rutte die Ukraine auch mit schlagkräftigen Waffen. Sie gehören zu den Ländern, die F-16-Kampfjets liefern werden und Piloten für den Einsatz ausbilden. In diesem Zusammenhang werde sein Land auch die Verteidigungsausgaben deutlich erhöhen, betonte der damalige Premier etwa auf dem letzten Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Im selben Atemzug forderte er, dass auch die anderen Nato-Staaten deutlich mehr Geld in den Aufbau und die Ausrüstung ihrer Armeen investieren müssten.

Mit Mark Rutte rüstet sich die Nato offensichtlich auch für eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Regierungschefs hatte der Niederländer während dessen Amtszeit ein gutes Verhältnis zum damaligen US-Präsidenten. Er hat ihn zweimal in Washington besucht – ungewöhnlich für den Vertreter eines kleinen Landes. Im Sommer 2019 sagte Trump über Rutte: „Wir sind Freunde geworden in den vergangenen Jahren.“ Der Niederländer betonte damals gegenüber den Kritikern immer die Chancen der Präsidentschaft von Trump. Dem Sender CNBC sagte er einst: „Aber Leute, Trump ist Präsident. Nutzt seine Präsidentschaft, die internationalen Institutionen zu reformieren.“

Diese politische Flexibilität und eine sehr große Portion Pragmatismus zeichneten Mark Rutte auch während seiner fast 14 Jahre dauernden Amtszeit als Premierminister aus. Von den Medien wurde er immer wieder als „Deal-Maker“ beschrieben. Auch überlebte er mehrere Skandale überraschend unbeschadet, was ihm den Namen „Teflon-Mark“ einbrachte. Das alles sind Eigenschaften, die ihm auch in seinem neuen Amt sehr nützlich sein dürften.